Michaela Lindinger - Die Dunkle Kaiserin. Elisabeths späte Jahre
Buchinformation
Die Neuauflage des 2013 erschienen Bestsellers „Mein Herz ist aus Stein“ von Michaela Lindinger wurde mit einem Vorwort der "Corsage"-Regisseurin Marie Kreutzer und einem Vorwort der Autorin selbst erweitert. Mehr als 100 Abbildungen ergänzen die überaus interessanten Ausführungen zur "dunklen Kaiserin", der in die Jahre gekommenen Sisi.
Fitnesswahn und Körperkult
"Titania", der Schriftzug der anderen, dunklen Kaiserin überzieht die erste Seite dieser aufschlussreichen Biographie. War die Kaiserin von der englischen „schwarzen Romantik“ beeinflusst, Melancholikerin oder einfach nur depressiv? Diese Frage stellen und stellten sich wohl schon viele Historiker- und Biografinnen. Mit 40 Jahren stellte sie selbst fest: „Ein Mensch von vierzig Jahren, löst sich auf, verfärbt sich, verdunkelt sich wie eine Wolke“. Wollte sie sich deswegen aus der Öffentlichkeit zurückziehen und auf Korfu ihrem Achilleion huldigen? Bastelte Sisi gar selbst schon an ihrem eigenen Mythos? Sisis Fitnesswahn hatte jedenfalls alles Durchschnittliche längst hinter sich gelassen, worüber sich auch die Geheimpolizei, die ihr ja überallhin folgen musste, beschwert hatte. Das reformerische Körperideal, das sie sich zum Ziel gesetzt hatte, bedeutete nicht nur Selbstkasteiung durch stundenlanges Wandern oder Reiten, sondern zudem noch Turnen und sogar Fechten, was damals nicht nur als unweiblich, sondern auch noch als zutiefst republikanisch galt. Sisi „arbeitete mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, an ihrem Körper und dessen Modellage“, schreibt die Biographin „der dunklen Seite der Kaiserin“ und betont, dass deren Idealmaße eben nicht gottgegeben, sondern schwer erkämpft waren.
Die "nackte" Kaiserin
Der Kult mit ihren langen Haaren etwa führte sogar so weit, dass sie sie nachts an einem Balken aufhing, um damit endlich von ihrer Migräne befreit zu sein. Ihre Rehlederhosen wurden in Wasser getaucht, um möglichst dünne Beine zu haben, das Mieder zur „Kaiserin-Taille“ geschnürt und Überkleider sogar auf den Leib genäht. Neben diesem leicht als Verrücktheit abzutuenden Schönheitszeremoniell der Kaiserin (vgl.: „Kopfwaschtag“) hatte die gebürtige Wittelsbacherin aber auch tatsächlich verrückte Verwandte. Der Prominenteste darunter war sicherlich Ludwig II., König von Bayern, aber auch sein Bruder Otto und Sisis Schwägerin, Charlotte von Belgien, Gattin von Kaiser Maximilian von Mexiko, sowie der Kaiserin Schwester Sophie, die sogar interniert wurde, waren alles andere als „normal“. Die Biographin erklärt sich übrigens auch aus diesem Umstand Sisis Faszination für Irrenanstalten, die sie – im Gegensatz zu Staatsempfängen - ausnahmslos gerne besuchte, wohl um sich davon zu überzeugen, dass sie eh noch ganz normal war, zumindest im Vergleich… Abends legte sich die Kaiserin eine Maske aus frischen Erdbeeren aufs Gesicht, für das Dekolleté gab’s Kalbschnitzel und nasse Laken sollten die Leibesmitte vor Gewichtszunahme bewahren. Natürlich schlief sie – konform mit den reformerischen Ideen - immer bei offenem Fenster „an der frischen Luft“ und das sogar im Winter, selbstredend nackt. Im Schlafgemach sollte es so kalt wie möglich sein, das wäre dann auch gut für den Teint.
"Klimakteriums-Fadesse" der schwarzen Romantikerin
Die „selbsternannte Mater Dolorosa“, Sisi, kann - nach Lektüre vorliegender Biographie - zweifellos als Anhängerin der schwarzen Romantik bezeichnet werden, schmückte sie doch auch ihr Schloss auf Kreta und die Hermes-Villa in Wien mit Statuen oder Gemälden aus dem Sommernachtstraum oder einer Melancholie-Statue im Schlafzimmer (!). Die kreative und schreibsichere Biographin der „dunklen Seite Elisabeths“ zwischentitelt in ihrem Buch mit Songtiteln der modernen Populärkultur (etwa: „Highway to Hades“, „Who‘s that girl?) und versucht immer wieder Referenzen zur selben herzustellen, etwa wenn sie Sisis Tätowierung beschreibt. Geistreiche Zitate etwa zu ihrer Rivalin Katharina Schratt, der Geliebten des Kaisers, können geradezu als politisch-feministisch stilbildend bezeichnet werden: „Es sollte ein bisschen dauern, doch endlich lud Kathi wieder zu Kaffee, Kipferln und Kuchen.“ (sic) Die „Lokomotive“ genannte „ewige Touristin“, die „Doriana Gray“, die selbst ihre Fotos, ihr „Bild“, kontrollierte, das Sonntagskind Elisabeth, starb übrigens an einer einfachen „Herzbeuteltamponade“ an einem Samstag im September: ein Anarchist hatte sie anstelle ihres Ehemannes gemeuchelt. Elisabeth trug schon schwarz, bevor es modern war, schrieb Gedichte, revolutionierte die Rolle der Frauen und kann trotz ihrer masochistischen Diäten doch als Vorbild einer ganzen Generation „neuer“ Frauen gelten. „Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine kleine Öffnung des Herzens“, hieß es in einem ihrer letzten Gedichte. Ihr Mörder hatte eine Nagelfeile benutzt.
Michaela Lindinger
Die Dunkle Kaiserin. Elisabeths späte Jahre
2024, Paperback, 255 Seiten
ISBN: 978-3-99050-264-8
Amalthea
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-01-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.