Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 


Rezensionen


 
Jonathan Lethem - Talking Heads Fear of Music. Ein Album anstelle meines Kopfes
Buchinformation
Lethem, Jonathan - Talking Heads Fear of Music. Ein Album anstelle meines Kopfes bestellen
Lethem, Jonathan:
Talking Heads Fear of
Music. Ein Album
anstelle meines Kopfes

Bei amazon bestellen

(Bücher frei Haus)

“In meiner schlimmsten Phase, 1980 oder 1981, war meine Identifikation derart vollkommen, dass ich mir vielleicht sogar wünschte, Fear of Music anstelle meines Kopfes, damit mich die Menschen um mich herum besser erkenne konnten“, schreibt Lethem in dieser ausschließlich einem Album gewidmeten „Biographie“. Während die meisten die Talking Heads von ihrem von Jonathan Demme 1984 im Kino in Szene gesetzten Live-Album „Stop Making Sense“ oder dem Jahrhundertalbum „Remain in Light“ (1980) kennen, versucht Lethem seine ganz persönliche Beziehung zu den „Sprechenden Köpfen“ anhand ihres 1979 erschienenen Albums Fear of Music zu erzählen und erklären. Das Album hat aber vielmehr den Jungen geschrieben, denn umgekehrt, wie Lethem immer wieder als Referenz an seine Jugend angibt. Als das Album erschien war der „Junge“ Lethem 15 Jahre alt und lebte in Brooklyn, New York, wo auch die meisten seiner mit Preise überhäuften anderen Werke verfasst wurden.

Fearkillers oder die Dada-Punks
Das Album, dessen Cover an ein Kunstwerk von Luigi Fontana erinnert, sei zwar „auf lange Sicht hin natürlich dem verheerenden Einfluss der Entropie ausgesetzt“, aber gerade deswegen versucht Lethem wohl, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, um das Vergessen dieses Meisterwerks auch 35 Jahre nach seinem Erscheinen zu verhindern. Schon im ersten Song „I Zimbra“ sieht er Einflüsse des Dadaisten Hugo Ball, obwohl das Lied eigentlich „afrikanisch“ klinge. Aber eine Information ist immer nur so viel wert, wie das, was die Ohren bereits wissen, gibt er freimütig zu verstehen und so kann Fear of Music durchaus zwischen Punk und Disco eingeordnet werden, zumindest wenn es nach Lethems Ohren geht. Die Einflüsse von Funk verweigert er einzugestehen, denn in seiner Jugendlichkeit zählte natürlich vor allem das Punk-Element und „Hugo Balls Gedicht spekulativ-interpretative Kraft, wie ein Rorschach-Fleck. Dada – europäisch, collageartig, zu Manifesten und Provokation neigend, dazu, sich über die Geschichte lustig zu machen – gab einen passenden Bettgenossen für Punk ab.“

„Fetisch der minimalen Distinktion“
Lethems Ich-ipedia zu Fear of Music attestiert: Die freistehenden Substantive (der Titel, JW) suggerieren Isolation, aus blanker Notwendigkeit: Die Dinge sind zu wirkmächtig – speziell für diejenigen von uns, denen die Angst im Nacken sitzt, die zu Kriegszeiten leben oder in bedrängenden Erinnerungen kramen“, so Lethem nicht ganz auto-ironie-frei. „Schreckgespenste des Solipsismus“ klammert er so dienstbeflissen aus, beleidigt Kerouac als Science Fiction Autor und gesteht die New Yorker Agoraphobie als beklemmendes und identitätsformendes Konstrukt eines New Yorker Jugendlichen, der bis zu seinem 15. Lebensjahr nie den Horizont gesehen habe. Das muss sich ja quasi zwangsläufig auf den Charakter auswirken, oder nicht? Aber vielleicht lässt sich dies auch alles unter dem „Narzissmus der kleinen Differenzen“ subsumieren, denn so unähnlich können sich die Lebensansichten des New Yorkers und der Band aus Providence/RI ja nicht sein. Woher käme sonst diese große Übereinstimmung des Lebensgefühls? „Allzu oft definiert uns genau das, was wir ablehnen und anprangern“ oder noch besser: „Wir sind nie weniger frei von uns selbst als just im Akt des Versagens, uns selbst zu befreien – auf der Party, auf der Flucht aus der uns angestammten Heimat oder in wachsamem, ruhelosen Schlaf.“ Asperger? Autismus? Mitnichten. Richtungsweisend sind auch Lethems Wegbeschreibungen: „Wie kommt man überhaupt von hier nach nirgendwo? Genau so: Dreh die Platte um und setz die Nadel wieder auf.“ Und Schließlich: „Erinnerungen können manchmal nicht warten, bis sie Erinnerungen sind, und müssen die ganze Sache beschleunigen.“ Fazit: „Memory ist the only paradise we can`t be expelled from.“ Und ja: „Die Pforten der Wahrnehmung“, lieber Jonathan Lethem, die kommen nicht von Leary, sondern von Huxley, aber bitte.

Jonathan Lethem
Talking Heads Fear of Music
Ein Album anstelle meines Kopfes
Aus dem Amerikanischen von Johann Christoph Maass
Tropen Verlag/Klett-Cotta

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-12-26)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


-> Möchten Sie eine eigene Rezension veröffentlichen?

[ weitere Rezensionen : Übersicht ]

 

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?

Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.013793 sek.