„Because of the trains, because of the damn‘ trains.“ Die Züge seien an allem Schuld, meint zumindest der Philosoph, gespielt von dem Österreicher Josef Egger, den Monco (Clint Eastwood) nach Colonel Mortimer (Lee van Cleef) befrägt. Seine Hütte bebt, wenn die Züge halt machen und er schimpft auf die industrielle Entwicklung, die alle Menschen zu Sklaven gemacht hätte und ihn, Monco, und auch Mortimer zu Kopfgeldjägern. Die an die italienische Commedia dell’arte erinnernde Figur des köstlich von Egger dargestellten Philosophen, spielte in der Rolle des Sargmachers Piripero schon im ersten Teil der Dollar-Triologie genannten Leone’schen Western eine – eben - „komödiantische“ Rolle. Auch andere witzige Elemente wurden in „Für ein paar Dollar mehr“ eingebaut, etwa wenn die vollbusige Hotelwirtin ihr pralles Dekolleté vor einem Spiegel zurechtrückt, wenn sie Moncos Schritte auf der Treppe hört.
„Then one day something happened…“
„Believe me, this train will stop at Tucumcari…“, sind die ersten Worte, die Colonel Mortimer im Film spricht, nachdem er seine markante Adler-Nase hinter einer Bibel hervorschauen läßt. Lee van Cleef, der dem Kopfgeldjäger Mortimer eine gewisse Gentleman-Note à la James Bond (inklusive seines Waffenarsenals) verleiht, zieht kurzerhand die Notbremse und steigt mit Pferd aus dem Zug aus. Es gibt also doch noch Leute die dem Fortschritt und der Zivilisation Einhalt gebieten, obwohl Mortimer – laut dem Philosophen – auch nur ein weiteres Opfer desselben ist. „Then one day something happened, that made my life very precious“, meint Mortimer zu Monco später im Film und dieser frägt ihn: „What was it? Or ist that an indiscreet question?“ „No, the question ist not. But the answer might be.“ Eine gewisse Spieluhr spielt dabei eine nicht unbedeutende Rolle und ihre Melodie ist so schön, dass nur Ennio Morricone dahinterstecken kann.
Two hunters, one prey
Ganze zwanzig Minuten dauert es, bis die eigentliche Story des Films beginnt. Leone lässt sich wie immer sehr viel Zeit, erst, wenn sich die beiden bald Verbündeten, Mortimer und Monco, begegnen, legt die Handlung richtig los. „If two hunters are after the same prey, they end up shooting each other in the back“, und so tun sich die beiden Kopfgeldjäger zusammen, um dem größten Schurken des Südwestens der USA das Handwerk zu legen. „Once upon a time there was a carpenter…“, setzt El Indio (Gian Maria Volontè) seine Predigt an. Seine Banditen haben sich in einer verfallenen Kirche verschanzt und ihr eben befreiter Anführer erklärt ihnen den neuen Plan als Predigt. Am Ende haben sie sogar alle eine Art „Erleuchtung“: Das Ziel ist nämlich der Überfall auf die Bank von El Paso. Dort hat der carpenter, ein Zimmermann (Dante Maggio), der Zellengenosse von Indio, ein spezielles Möbelstück gezimmert, in dem sich das Geld der ganzen Region befindet. Volontè ist ein genialer Schauspieler, doch für Leone war er immer etwas zu theatralisch und er wollte ihn durch besonders viele Szenen ermüden, aber Volontè war ein Profi, durch und durch. Gian Maria Volontè hielt nichts von dem „tiring genre Western“, weil er in Italien meist politische Filme gedreht hatte. In „Für ein paar Dollar mehr“ lacht er verrückt, erschießt Kinder und Frauen vor den Augen des Ehemanns und Vaters, verrät seine Bande und raucht Rauschgift. Dieses löst bei ihm Erinnerungen aus, die am Ende des Films die Verknüpfung der Protagonisten auflöst. Am Ende haben eben auch Kopfgeldjäger ein Herz.
Familie, Freundschaft, Fantasy
Sergio Leone war ein Einzelkind und sehnte sich wohl nach einem Bruder und deswegen ist das Thema Freundschaft auch so wichtig in seinen Filmen, meint Sir Richard Frayling in einem Interview in der Bonus-Sektion der BluRay. Die beiden „americanos“, Cleef und Eastwood, hätten sich gut verstanden, Van Cleef, der für Leone wie Van Gogh aussehe, wurde extra aus L.A. eingeflogen. Die anderen hätten aber meist Italienisch oder Spanisch oder sogar Deutsch gesprochen. Es gibt eine Referenz an die Vielsprachigkeit bei den Dreharbeiten: Beim location Augenschein für den Banküberfall von El Paso, gehen die Banditen um die Bank herum und zählen wie lange die Wachen brauchen, um einmal um die Bank herumzulaufen., einer zählt auf Spanisch, einer Deutsch, einer Englisch. Die „Bühne“ des Dreierduells, die man auch aus „Il buono, il brutto, il cattivo“ (Zwei glorreiche Halunken) kennt, ist in „Für ein paar Dollar mehr“ der Schauplatz eines krönenden Abschlusses des zweiten Teils der Dollar-Trilogie. Ein „ferrytale für grown-ups“, so Frayling. Auf BluRay so scharf an Präzision und satt an Farben wie ein Van Gogh Gemälde!
Sergio Leone
Für ein paar Dollar mehr
(Per qualche dollaro in più)
Musik: Ennio Morricone
Italien, Spanien, Deutschland 1965
Sprachen: Englisch/Italienisch
BluRay 2013 127 Minuten
Universum Film www.tobis.de
Mit Clint Eastwood, Lee van Cleef, Gian Maria Volontè, Klaus Kinski, Mario Brega
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-08-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.