Unlängst saß sie wieder neben mir, im Cafè Drechsler in Wien, davor hatte ich sie schon am Vaporetto oder bei Spaziergängen in Venedig „gespottet“, Zweideutigkeit impliziert. Die durchaus unscheinbar und bescheidene Krimischriftstellerin überrascht nicht nur durch ihre Auftritte an verschiedenen Orten der Weltgeschichte, sondern auch durch immer wieder neue Publikationen, wie eben vorliegendes feinsinnige Kunstbrevier aus Papier, das mit einer ebenso feinsinnigen Auswahl aus den Werken Vivaldis aufwartet: „›Kurioses aus Venedig‹, erzählt von Donna Leon“. Untermalt werden die besonderen Begebenheiten der amerikanischen Krimiautorin mit Musik auf historischen Instrumenten: Virtuoses von Antonio Vivaldi, extra aufgenommen für dieses Buch von ›Il Complesso Barocco‹ und vom Diogenes Verlag kunstvoll vereint.
In vorliegender Kurzgeschichtensammlung aus der einzigartigsten Stadt der Welt, gibt es allerdings auch tatsächlich allerhand Kurioses zu finden: Ein Elefant sucht Zuflucht in der Kirche Sant’Antonin. Da gibt es Kurtisanen, die Männer bekehren sollen, Glücksspieler, die ihre Palazzi verwetten, Unschuldige, die trotzdem verurteilt werden – Venedig ist voll von solchen kuriosen „Fällen“. So feinsinnig die Geschichten, so vielstimmig die Musik von Antonio Vivaldi. Sieben Konzerte: Violine, Viola, Cembalo und Cello, Oboe und Fagott, sie alle sind Teil des über einstündigen Festkonzerts. Der Diogenes Verlag legt damit ein Lese- und Hörvergnügen der amüsanten Art vor, das sich wunderbar ergänzt. Es fehlte nur mehr ein guter Caffè del Doge, aber natürlich mit reinem, venezianischem Wasser, selbstverständlich.
Wer sich demnächst selbst wieder vor Ort von den Kuriositäten der Stadt Venedig ein Bild machen will, der reise doch zur Festa della Salute dort an. Für dieses außerordentliche Fest, das so wie viele andere Feste Venedigs auch, das Ende der Pest feiert, bauen die Venezianer eigens eine Brücke über den Canal Grande. Diese ist zwar nicht ganz so lang, wie die des Festes „del Redentore“, ebenfalls ein Ende-der-Pest-Fest, aber die Stimmung ist dennoch einmalig, zumal der Herbst ja nicht unbedingt zu den Hauptreisesaisonen Venedigs zählt und somit viel Platz auf der Brücke bleibt. Zudem gibt es eine kleine Prozession in die achteckige Kirche selbst und wer sich in dessen Mittelpunkt auf die Metallplatte stellt und von dort aus die schwarze Madonna der Salute grüßt, der wird das ganze Jahr hindurch gesund bleiben. Selbstverständlich ist damit das nächste Kalenderjahr gemeint, nicht nur die zwei noch verbleibenden Monate des laufenden Jahres. Venedig im Herbst: Die Luftfeuchtigkeit ist hoch, Nebel- und Regengefahr alltäglich und zudem kommt das Wasser sowohl von oben als auch von unten und von der Seite. Ideal für ein Konzert von Vivaldi, zur Aufmunterung. Aber man wird nicht überall nass: wer auf dem Bug dieser Brücke steht, die alljährlich nur ein einziges Mal über den Canal Grande gespannt wird, soll sogar bei starkem Regen trocken bleiben. Wer es wagt, wird jedenfalls sicherlich wieder „erhebende Augenblicke“ erleben. Kurioses findet man also nicht nur in den Geschichten der Leon über Venedig, sondern vor allem auch in Venedig selbst.
Donna Leon
Kurioses aus Venedig
Hardcover Pappband, 80 Seiten
Erscheint im Okt. 2011
ISBN 978-3-257-06798-9
€ (D) 16.90 / (A) 17.40
sFr 28.90*
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-10-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.