Ein junger Mann ist in Venedig zu Tode gekommen. Commissario Brunetti und auch seine Frau Paola kannten ihn seit einigen Jahren; weil der taubstumme Junge als Aushilfe in der Reinigung arbeitete, die die Familie Brunetti fast wöchentlich frequentiert. Der Tod des Jungen durch Schlaftabletten soll als Unfall wie so oft zu den Akten gelegt werden. Gleichzeitig will Vice-Questore Guiseppe Patta seinem Freund dem Bürgermeister einen großen Gefallen tun und gibt Brunetti einen zweifelhaften Auftrag, der aber in Italien offenbar zum Alltag gehört. hat daran großes Interesse. Während Brunetti diesen Auftrag schnell erledigt hat, lässt ihn aber der Tod des Jungen nicht ruhen
Von seiner Schöpferin seit nunmehr einundzwanzig Bänden ihrer Krimireihe mit ungewöhnlichem Instinkt ausgestattet, wittert Brunetti hinter diesem Tod etwas anderes, obwohl es zunächst einmal reine private Neugier ist, die ihn mit der Mutter des Jungen Kontakt aufnehmen lässt. Der Junge dürfte eigentlich gar nicht existiert haben, denn es gibt keine einzige offizielle Erwähnung. Weder Geburt noch Taufe sind dokumentiert und auch keine Krankenversicherung etc.
Wieder einmal löst er einen Fall, indem er Schicht um Schicht zu der Wahrheit vordringt. Aber wie schon so oft, kann er seine Schlussfolgerungen nicht beweisen, und es kommt, wie so oft in Italien, zu keinen strafrechtlichen Folgen für diese Tat.
Zwanzig Bände waren vor zwei Jahren für mich ein Anlass, einmal zurückzublicken. Ich habe alle Bände gelesen. Doch während die ersten zehn Bücher etwa spannende und anspruchsvolle Krimilektüre boten, wurde das Lesen dann mit jedem neuen Buch mühsamer, langweiliger und nichtssagender. Ein Grund dafür ist für mich, dass Donna Leon ihren Protagonisten und seine Familie nicht altern bzw. reifen lässt. Auch der bildungsbürgerliche Hintergrund ohne eine einzige Schwäche wirkt immer unglaubwürdiger. Ein weiterer Grund ist, dass der Schreibstil immer gleich bleibt, es gibt keine wirklichen Überraschungen mehr, eben weil sich nicht wirklich etwas verändert.
Nun habe ich einen Band ausgelassen und zum 22. wieder gegriffen. Ohne große Erwartungen, wollte ich einfach unterhalten werden. Und das ist mit „Das goldene Ei“ recht gut gelungen. Man sollte Donna Leons Bücher nicht mehr als Krimis bezeichnen, bloß weil ein Commissario die Hautoprolle spielt. Es sind Unterhaltungsromane für Liebhaber Venedigs, Liebhaber italienischen Essens und guter Weine. Nicht mehr und nicht weniger. Also dann bis nächstes Jahr.
Donna Leon, Das goldene Ei, Diogenes 2014, ISBN 978-3-257-06891-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-06-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.