Bohemund, der älteste Sohn von Robert Guiscard, lebte um 1100 und machte Canosa, die heutige apulische Weinstadt zu seiner Lieblingsstadt. Nicht nur sein Mausoleum an der Südflanke des Canosaer Doms machten die Stadt berühmt, auch daunische Kammergräber, die Keramik, römische Bauwerke und christliche Sakralbauten, ein byzantinisches Kastell und das Castel del Monte. Letzteres hat Friedrich II., der Staufer Kaiser, auf einem 545 m hohen Hügel errichten lassen und es überstrahlt alle anderen Bauwerke Apuliens. „Als weithin sichtbares, die unermessliche Ebene beherrschendes Wahrzeichen nennt es das Volk das Belvedere oder den Balkon Apuliens. Man könnte es noch passender die Krone Apuliens nennen“, schrieb 1875 Gregorovius in sein Tagebuch. Das „Epitheton“ verblüfft tatsächlich sogar den Betrachter eines Fotos desselben, ein achteckiger Gebäudekranz umschließt einen ebenso achteckigen Hof, darum herum befinden sich wiederum acht achteckige Türme. Seit 1997 wird Castel del Monte auch als Weltkulturerbe gewürdigt, obwohl das „Castello“ eigentlich gar keine „Burg“ ist. Die wohnliche und luxuriöse Ausstattung, Kaminzimmer, Schlafkammern, Toiletten, fließendes Wasser und Öllampen oder der reiche Skulpturenschmuck gemahnen eher an einen „sakralen Bau im Dienste des Kaiserkults um Friedrich II. und der Herrschaftsinszenierung des größten mittelalterlichen Gesetzgebers“, schreibt der Autor.
Es wäre müßig alle Baudenkmäler Apuliens hier aufzählen zu wollen, es gibt derer einfach zu viele und noch dazu aus allen geschichtlichen Epochen. Apulien war lange Zeit Zentrum der abendländischen Welt und die Spuren sind noch heute zu finden. „Apulien, was für eine Überraschung“ heißt nicht umsonst ein Kapitel des vorliegenden Prachtbandes aus dem Hauser Hirmer, das darauf aufmerksam macht, dass die heutige Peripherie, früher ein wichtiger Handelsmittelpunkt der antiken und mittelalterlichen Welt war. Das Kapitel „Apulische Chronik“ beschäftigt sich mit den Bareser Sonderformen ab 1087, aber auch die geographische Mitte Apuliens, das Land der Peuketier, und das Salento werden ausreichend in Text und Bild gewürdigt. Die Prachtbauten an der Via Appia, der ersten römischen Lebensader, reichten alleine für ein dickes Buch aus: Melfi etwa, die zwischen Tyrrhenis und Adria günstig gelegene Hauptstadt Robert Guiscards, machte 1059 Papst Nikolaus II. die Erhebung Guiscards zum Herzog von Apulien zum Schauplatz. Hier sind auch noch die alten Normannenmauern erhalten, der Dom (zumindest der Campanile) und Reste des Kastells. Friedrich II. verkündete in Melfi seine Konstitution „Liber Augustalis“, auch wenn vom Stauferkastell nur mehr wenig geblieben ist, kann die Bedeutung Melfis vom 11.-13. Jahrhundert nicht geleugnet werden. Andere Friedrich-Verehrer pilgern wiederum nach Altamura, das zwar stark unter einem Erdbeben gelitten hat, sich aber immer noch imposant in der Stadtmitte erhebt.
Wer wiederum lieber zu den Spuren der griechischen Besiedelung Apuliens „wallfahrten“ möchte, dem sei „Tarent“ ans Herz gelegt, das einen sagenhaften Goldschatz beherbergt. Das griechische „Taras“ verfügte über einen Poseidontempel von dem heute leider nur mehr zwei dorische Säulen stehen. Dennoch erregt das dortige Museo Archeologico den Neid aller anderen süditalienischen Städte, da es großartige Antikensammlungen von goldenen Grabbeigaben beherbergt. Der größte Teil davon wurde erst bei den Aufbauarbeiten nach dem letzten Weltkrieg entdeckt (!). „Ori di Taranto“ (Gold von Taranto) sind seither ein Begriff. In der Altstadt Tarents befindet sich außerdem ein gut erhaltener „Normanndom“, eines der lehrreichsten Beispiele für den Wechsel vom byzantinischen zum lateinischen Einfluss in Apulien (siehe auch: Adele Cilento: I Normanni in Sicilia, Magnus Edizione). Schließlich wird noch das Salento und Lecce mit seinen reichen Baudenkmälern gezeigt, Gallipoli mit seiner Burg- und Hafenanlage oder sogar Corigliano, Castello de` Monti. Das Abschlußbild ziert Trani mit seiner Altstadt und dem kleinen Hafen, bescheiden und idyllisch, ein Italien, von dem es sich auch heute noch träumen lässt. Bald versteht man, warum sich hier Byzantiner und Langobarden, Normannen und Staufer eine neues Zuhause gesucht haben. Leider sucht man in vorliegender Ausgabe vergeblich eine Landkarte Apuliens, die hätte man vielleicht auf den Umschlagseiten noch einfügen können und mit den dazugehörigen Eintragungen versehen können. Ansonsten natürlich ein ausgezeichnetes Produkt, wie man es von Hirmer nicht anders gewohnt ist.
Rolf Legler ist Kunsthistoriker und hat bereits mehrere Publikationen zur italienischen und spanischen Kunst vorzuweisen.
Rolf Legler
Apulien – eine italienische Kunstlandschaft