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Rezensionen


 
Anca Miruna Lazarescu - Breathless-Dominance of the Moment
Buchinformation
Lazarescu, Anca Miruna - Breathless-Dominance of the Moment  bestellen
Lazarescu, Anca Miruna:
Breathless-Dominance of
the Moment

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(Bücher frei Haus)

Durch eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes ist diese Zusammenstellung von fünf Kurzfilmen entstanden, die aus insgesamt 130 eingereichten Filmen ausgewählt und prämiert wurden. Das Thema, die Macht des Augenblicks, wird auf vielfältige Art und Weise bearbeitet, darunter Erzählung, Experiment oder Tagebuch.
In „Es wird einmal gewesen sein“ (R: Anca Miruna Lazarescu) wird die Gesellschaft der John Cage Orgelfreunde von Halberstadt vorgestellt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ein Stück, das ganze 639 Jahre lang dauert, in ihrer aufzuführen. So absurd das Projekt klingt, so ernst ist es den Beteiligten damit. Beinahe 9 Jahre haben sie schon durchgehalten. Um das Projekt zu finanzieren können sich die Besucher kleine Täfelchen kaufen, die dann in der Kirche angebracht werden und ein bestimmtes Jahr mit ihrem Gedanken verziert. Natürlich sind noch einige Jahre frei, man kann sich also noch an dem Projekt beteiligen und sich selbst verewigen, so wie es jemand getan hat, der dem Film seinen Titel gab.
In der zweiten Dokumentation „I love my boring life“ (Mam rada nudny zivot, R: Jan Gogola) erzählt Frau Nemcova, die in einem Außenbezirk von Prag lebt, von ihrem Leben in einer Art filmischer Tagebucheintragung. Das interessante dabei ist, dass einem eigentlich nie wirklich langweilig dabei wird, so kurzweilig sind ihre Erzähllungen, obwohl sie eigentlich nur von ganz alltäglichen Begebenheiten erzählt. Ihrem Enkel, einer entschärften Bombe, oder dem ökologischen Gedanken, nichts Neues zu kaufen, wenn man das Alte doch noch reparieren kann. Außerdem macht Frau Nemcova Yoga, bügelt, man sieht ihr Haus, sie denkt an die Hypotheken und an ihre Familie. Ein ganz normales, durchschnittliches Leben, das hier liebevoll porträtiert wird und in schönen, langsamen Bilder von den alltäglichen Sorgen eines Menschen erzählt.
„Time`s up“ (R: Marie Cathrine-Theiler/Jan Peters) wird von einem deutschen Ehepaar erzählt und der Titel bezieht sich wohl auf die bevorstehende Niederkunft der Protagonistin. Trotz dieses Umstands fliegen die beiden von Berlin in die Schweiz, wo sie im Auto von Genf ins Wallis in eine Zeitschleife geraten und „die Bodenhaftung“ verlieren. Der Stress der Abreise wird in diesem Moment wie weggeblasen und sie können endlich ihren Urlaub richtig genießen. Die beiden versuchen dann aber, wieder zurück in Berlin, das Zeitphänomen wissenschaftlich zu untersuchen und erkennen als Ursache von Stress die Angst. Angst, etwas zu versäumen, jemandem nicht gerecht zu werden, der Sache nicht gerecht zu werden. „Zeitdiebstahl“ sollte geahndet werden, darüber sind sich die beiden einig, denn selbst wenn man individuell entschleunigt, ist die Welt um einen `rum doch immer noch zu schnell. Würde man sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, würde man weniger langsam altern. Haben deswegen immer alle so viel Stress?
Der letzte und längste Beitrag „Phantom of Liberty II“ (R: Karel Zalud) spielt ebenfalls in Tschechien. Ob der Titel („Das Gespenst der Freiheit II“) eine Anspielung auf Louis Bunuel ist, wird zwar durch das Betrachten alleine nicht klar, aber die etwas mystisch-religiöse Einleitung mit „INRI“ und „Verzweifle nicht im Labyrinth des Lebens, denn Hoffnung ist nah“ lässt doch ähnliches vermuten. Der Regisseur verwendet immer wieder Schleifen, um das Phänomen Film auch cinematographisch zu vermitteln, etwa wenn er mit dem Fahrer des Begräbnisinstituts ein Interview macht und dann dieselbe Szene wieder in der Anfahrt in dasselbe Institut endet und der Fahrer frägt: „Wollen Sie jetzt mitfahren oder nicht?“ Das ist aber nur einer von vielen genialen Einfällen, dieser Dokumentation, die sich auch dünnem Eis bewegt. Die Dokumentaristen klingeln zum Beispiel einfach an einer Türglocke eines Einfamilienhauses und fragen: „Haben Sie eine Geschichte zu erzählen?“ Und natürlich spielt auch der Uhrzeiger des Kirchturms von Leitmeritz, der vor fünf Jahren mal runtergefallen ist, eine immer währende und präsente Rolle, eigentlich ist diese „Geschichte“ ja der Aufhänger für alle anderen Geschichten. Gruseln bekommt man auch im Bestattungsinstitut, wenn die Knochen eines Menschen nach dem Verbrennungsprozess zerkleinert werden, um in der Urne Platz zu haben. So eine Verbrennung dauert je nach Gewicht der Person 60-90 Minuten und 3-6kg Asche bleiben dann von einem Menschen zurück. Mit viel Humor wird eine traurige Geschichte erzählt, alle scheint völlig improvisiert, etwa, wenn die Interviewpartner mehrmals am selben Unfallauto vorbeifahren, während sie sprechen und keiner, nicht einmal der Polizist, den Verunglückten hilft. Dann wird das Sujet „Auto“ noch zu „Zug“ gewechselt, alles sehr einfallsreich und filmisch sehr innovativ.

Breathless-Dominance of the Moment
5 Dokumentar-Kurzfilme über die Macht des Augenblicks
Realfiction Filmverleih
163 Minuten Deutschland/Tschechien 2009

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-01-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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