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Marc Laureys - Die Kunst des Streitens
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Laureys, Marc:
Die Kunst des Streitens

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(Bücher frei Haus)

Streit als Kunst

Obwohl in zivilisierten Gesellschaften der Streit schon in der Erziehung gekennzeichnet wird als "tunlichst zu vermeiden", gehört Streiten als Grundkonstante zum menschlichen Sein seit Anbeginn der Zeiten. Schon in der Bibel finden wir im 2. Kapitel im Rahmen der Kain- und Abel Geschichte den ersten, literarisch dokumentierten Streit der Urgeschichte.
Hierbei findet der Streit kulturgeschichtlich in verschiedenster Ausprägung seinen Niederschlag, vom Krieg über bewaffnete Konflikte bis hin zum literarisch auf höchstem Niveau ausgetragenen Diskursen per Brief, Streitschrift oder Buch. Sehr wohl also lässt sich kulturell eine wahre "Kunst" des (konstruktiven) öffentlichen Streitens nachvollziehen.

Die Herausgeber stellen schon zu Beginn dar, dass Streit, vor allem, wo er gewaltfrei ausgetragen wird, durchaus eine ganze Reihe von wichtigen und wesentlichen, positiven Funktionen für die Streitenden und die "dritte Instanz", das Publikum hat. Die öffentlichen Betrachter sollen ja durch den öffentlichen Streit zweier oder mehrerer Parteien überzeugt und auf die je eigene Seite gezogen werden. Zu diesen (und weiteren Unterscheidungen) führt uns das Buch vermittels seiner verschiedenen Autoren in Ihren Beiträgen. Im Zuge dieser Unterscheidung wird deutlich, dass Streit in positiver, gewaltfreier Ausrichtung eine wichtige Funktion im Zuge einer Verdeutlichung und Schärfung der "besten Position" immer schon inne hat, ebenso, wie Streit in Bezug auf einen "gemeinsamen Gegner" identitätsstiftend für eine ganze Kultur wirken kann.

Mit diesem Buch legen Lauryes und Simmons als Herausgeber eine Untersuchung der Streitkultur des europäischen Raumes von der Antike bis zur Moderne als interdisziplinäres Werk vor. Hierbei erfolgt die Konzentration auf zwei zentrale Betrachtungsobjekte. Zum einen steht die literarische Form des Streites im Mittelpunkt der Betrachtungen, zum anderen geschieht dies mit einem deutlichen Blick das Publikum. Somit auf die soziale und öffentliche Dimension des Streits.

Schwerpunkte werden in den vier Hauptteilen des Buches gelegt auf Streit in und mit Texten, auf einen Blick auf literarische Streitformen als Stilmittel, auf die soziale Dimension im Rahmen öffentlich ausgetragenen Streites und auf die Streitkultur im Übergang zur Moderne, somit also auf die Wurzeln unserer gegenwärtig zu beobachtenden, öffentlichen Streitkultur von der Antike (fast) bis heute .
Jeder der vorgestellten Aspekte ist fundiert bearbeitet. Allein schon die Verdeutlichung von Barbara Krug-Richter , dass die jeweilige Streitkultur ein "zentraler Schlüssel zum Verständnis für eine Gesellschaft" ist, verdient Aufmerksamkeit, gerade in Ihren Ausführungen, in welchen Form Alltagsstreit über die Zeiten hinweg zum einen gleichen Ansätzen, zum anderen durchaus verschiedenen Stilen folgt. Die präzise benannten Unterschiede in der Gestaltung von Konflikten durch Frauen und Männer sind vertiefend dargestellt.
Barbara Mahlmann-Bauer gelingt es, die theologische Form des Streites deutlich zu kennzeichnend. Erhellend sind ihre Ausführungen zur "Entgleisung" solcher "Glaubenskonflikte". Dies wirft ein deutliches Bild auf die, oft als unnötig empfundene, Verschärfung religiöser Dispute bis in die heutige Zeit hinein durch die Ausweitung des Streits auf persönliche Ebenen.

Jeder der Beiträge ist mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, unterteilt in Primär- und Sekundärliteratur, versehen, dies dient in bester Weise dem vertiefenden Weiterarbeiten. Nicht jeder der Beiträge ist sprachlich einfach zu lesen, z.T. werden die Zusammenhänge äußerst komplex dargestellt, zum anderen schreiben die verschiedenen Autoren in ihrer Sprache. Das mag in den englischen Texten kein allzu großes Hindernis darstellen, ob allerdings jeder Leser des französischen mächtig genug ist, auch wissenschaftliche Texte nach zu vollziehen, lasse ich dahingestellt.

Der vorliegende Band bezieht sich in seinem Thema auf Band 2 der Studien zur Wirkung der klassischen Antike (Streitkultur) des Centre fort he classical Traditon an der Universität Bonn.

Fazit:

Keine leichte Kost, aber ein wichtiges Element für das Verständnis der Funktion des Streits an sich und der Entwicklung unserer gegenwärtigen, öffentlichen Streitkultur im Verlauf der kulturellen Entwicklung Europas von der Antike bis zur Moderne.

[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-04-25)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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