Interessant ist schon, dass der eigentliche Erfinder von Ironman, Stan Lee, ihn bewusst als Unsympathler erfunden hat: der Superheld entstand während des Kalten Krieges, als wohl die meisten Menschen alles das hassten, was dieser Herr Tony Stark verkörperte, nämlich Rüstungsindustrie, Warfare, tödliche Technologien. Dennoch wurde Ironman, entgegen aller Voraussagen, doch noch zum Schlager für Marvel. Spätestens seit der Verfilmung mit Robert Downey Jr. in der Titelrolle (2007) entstand ein Boom auf den gut gerüsteten, aber dafür nicht mehr sehr rüstigen Superhelden. Eine Fortsetzung des Films steht übrigens für 2010 bevor, man sollte sich also rechtzeitig über Tony Starks Vorlieben via Comic informieren, damit die Spannung bis dahin nicht nachlässt.
„Es (1963, JW) war die Blütezeit des Kalten Krieges. Und wenn die Leser, die jungen Leser etwas hassten, war es Krieg und Militär...Also nahm ich einen Helden, der das vom Scheitel bis zur Sohle repräsentierte. Er war ein Waffenkonstrukteur, er versorgte die Armee mit Waffen, er war reich, er war ein Industrieller...Es war amüsant einen Charakter zu formen, den keiner leiden konnte...ihn den Lesern in den Rachen zu schieben und sie dazu zu bringen, ihn zu mögen...und er wurde sehr populär.“ Stan Lee wird mit diesen Aussagen zwar keine Leser mehr für sich gewinnen können, dennoch muss ich eingestehen, dass es mir tatsächlich so erging. Die Reinkarnation eines Geschäftsmannes und Kapitalisten als Superheld ist eigentlich etwas völlig Unmoralisches, ja geradezu Häresie. Dennoch besteht eine gewisse Faszination in der Ästhetik des Ironman, die wohl niemand leugnen kann. Auch in „Civil War“ (vergleichen Sie dazu die Rezension auf unserer Buchseite) kommt Tony Stark als Vertreter des Registrierungsgesetzes völlig unsympathisch `rüber und dennoch kann er einem gefallen? Etwa vielleicht wegen seiner Alkoholikervergangenheit?
Da ist einerseits natürlich seine Rüstung und die damit verbundene Geräuschkulisse (die man auch im Comic quasi hören kann), die unglaubliche Farbwahl und Brillanz des Ausdrucks (etwa wenn Starks Schnurri leicht an einen spanischen Kavalier erinnert und dabei trieft), aber auch die Dramaturgie der Kollission der beiden Kontrahenten. Sowohl Obadiah Stane als auch Ironman haben eine weibliche Begleiterin („Sagen Sie jetzt nicht, Sekretärin!“), beide Paare sind wohl verliebt, ohne es denn zu benennen (Ist es eine Affäre? Ist es Liebe?) und beide sind Waffenfetischisten. Der eine zum Wohl der Menschheit, der andere zu ihrem Unheil. Doch Tony Stark findet bald eine Idee wie er die Stärke seines Gegners als seine größte Schwäche nützen kann. Während die Vorteile der Terroristen ihre dezentralen, guerillaartigen und weit verstreuten Operationsbasen sind und SHIELD, das Verteidungssystem unter Ironmans Fittichen, wie ein schwerfälliger Apparat operiert, liegt in der Unabhängigkeit und Indivdualität Tony Starks letztlich der Schlüssel zur Befreiung. Nicht zuletzt heißt es ja: „Den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen!“ Selbst dann, wenn es dann tatsächlich die „eigenen“ sind.
Das spannende Abenteuer des nunmehrigen Abstinenzlers und Wohltäters (er will Afrika mit einem neuen Vertriebssystem vor Aids retten) Tony Stark wird im Sammelband ab 21. Juli fortgesetzt, wer möchte kann sich auf der Homepage der Verlage schon einmal vorinformieren. Vielleicht könnte man sich bis dahin auch überlegen, von wem die Terroristen wohl die Waffen haben. Etwa auch von Tony Stark? Oder gar von SHIELD? Versteckt sich gar etwa Gesellschaftskritik in diesem harmlosen Comic über einen geläuterten Kapitalisten und Alkoholiker?