Oft habe ich in Lebensphasen, wo ich mich in Krisen etwa, stark mit spirituellen Weisheitstexten aus verschiedenen Kulturen befasst habe, auch verschiedene Ausgaben des Tao Te King des Philosophen Laotse in den Händen gehalten und versucht zu verstehen.
Aber vielleicht muss man erst ein bestimmtes Lebensalter erreichen und entsprechenden Lebenserfahrungen machen, bevor man diese Weisheiten auch nur im Ansatz verstehen und nachvollziehen kann. Diese Erfahrung jedenfalls habe ich gemacht, als mir völlig unvorbereitet die neue von Jan Philipp Reemtsma übertragene Ausgabe auf den Schreibtisch flatterte.
Dabei hat es mir das 22. Kapitel besonders angetan:
„Alles fügt sich,
krumm wird gerade,
Tiefes füllt sich,
alt wird neu,
wo wenig ist, kommt etwas dazu.
Doch zuviel ist überflüssig.
Darum:
Wer vollkommen ist, ist im Einen,
und die Welt sieht es ihm an.
Er will nichts scheinen
und leuchtet.
Er besteht nicht auf seinem Recht,
und die anderen geben ihm recht.
Er rühmt sich nicht,
er hat Verdienste.
Er erhebt sich nicht,
das macht ihn sichtbar.
Er streitet nicht,
so hat unter dem Himmel keiner Streit mit ihm.
Die Alten haben gesagt:
‚Alles fügt sich.‘
Woher du kamst,
dahin kehrst du zurück.“
Laozi, Daodeijing. Eine Übertragung von Jan Philipp Reemtsma, C. H. Beck 2017, ISBN 978-3-406-71774-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-09-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.