Der in England sehr bekannte Bestsellerautor John Lanchester legt mit seinem neuen Roman „Die Mauer“ ein aufrüttelndes und gleichwohl spannendes Buch vor, eine Dystopie, die umso mehr unter die Haut geht, weil so vieles davon schon Teil unserer Realität zu sein scheint und weil auch bisher gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit immun geglaubte Länder darauf zusteuern.
Nach der Europawahl Ende Mai wird man sehen, wie diese Tendenzen schon einen ganzen Kontinent im Griff haben.
In einem Großbritannien in der Zukunft haben sich die Isolationisten durchgesetzt. Es gilt nur noch das Recht des Stärkeren und das ganze Land ist von einer hohen Mauer umgeben, die von den Einwohnern systematisch und konsequent gegen Eindringlinge verteidigt wird.
Seit dem, was alle „den großen Wandel“ nennen, existiert diese Mauer, und so wie viele andere junge Menschen gehört auch der Protagonist und Ich-Erzähler dieses Romans, Joseph Kavanagh zu jener Gruppe, die die Mauer unter Einsatz ihres Lebens verteidigen. Es ist ein gefährlicher Job. Wer versagt und einem Eindringling die Flucht ins Land ermöglicht, wird selbst dem Meer überantwortet.
Joseph Kavanagh hat sich mit seiner Einheit, die ihm zu einer Familie geworden ist, eingerichtet und in Hifa eine Frau gefunden, der er sich sehr verbunden fühlt.
Gemeinsam üben sie immer wieder den Ernstfall, denn die Gegner, die potentiellen Eindringlinge sind hoch gefährlich und es besteht die Gefahr, dass sie in jedem Moment angreifen.
Es ist eine beklemmende Geschichte, die John Lanchester da seine Hauptfigur erzählen lässt. Sie ist beklemmend , weil trotz dystopischer Überzeichnungen so vieles entweder real erscheint, oder als in der Zkunft Europas absolut möglich. In den letzten Jahren wurden von europäischer und nationaler Politik schon sehr viele Vorkehrungen gegen Flüchtlinge aus dem Süden, vorzugsweise aus Afrika getroffen. Und auch die Stimmung von immer mehr Menschen in Europa kippt. Abschottung, Grenzen, Mauer sind das Thema der Stunde und die dafür notwendige Verhärtung der Herzen der Menschen scheint in vollem Gange. Und sie scheint kaum mehr aufzuhalten.
„Die Mauer“ ist ein verstörendes Buch, das man nur allzu gerne immer wieder aus der Hand legen möchte, weil sein Thema unter die Haut geht und so unglaublich aktuell ist.
Ich habe diese Tage auch ein anderes Buch gelesen, das sich mit dem Thema befasst. Es ist von Davide Enia und heißt „Schiffbruch vor Lampedusa“. Ich kann es in seiner tiefen Menschlichkeit nur weiterempfehlen.
John Lanchester, Die Mauer, Klett-Cotta 2019, ISBN 978-3-608-96391-5
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-11-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.