Der Dalai Lama, seit nunmehr 50 Jahren im Exil und mit einer Fülle von Veröffentlichungen aus der Quelle seiner meditativen Tiefe weltweit bekannt, legt in seinem neuen Buch den Schwerpunkt auf die Frauen.
Ein wenig irreführt zunächst vor allem der Untertitel. Was wie ein Slogan alter feministischer Kampftage wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein durchaus differenziertes, weiteres Element seines grundsätzlichen Einsatzes für ein friedliches Miteinander auf dieser Welt.
Die erste Erweiterung gibt er selbst, indem er konkretisiert: Die Welt braucht die Werte der Frauen, um zu überleben. Es geht also nicht um ein Frausein an sich oder eine Art 100% Quote für Frauen in Führungspositionen, sondern um ein tiefes Bedenken dessen, was die eigentlich weibliche Kraft ist, die seit Urgedenken diese Welt in sich zusammenhalten kann. Mehr und besser zusammenhalten kann, als es der klassisch männliche Weg bisher vermag. Dass seine Aussagen menschlich allgemein zu verstehen sind ist auch im Blick auf das erste Kapitel deutlich im Raume, „Frausein, Menschsein im 21. Jh.“ rekurriert auf das allgemeine Mitgefühl in einer globalisierten Welt und verweist auf das nicht erfüllten Glücksversprechen unsere Ausrichtung auf den Konsum. Allgemein menschliche Themen, denen allerdings auf eine „weibliche“ Art zu begegnen eine wesentlich konstruktivere Richtung zu geben vermag als die bisherigen Herangehensweisen.
Mitgefühl, Großzügigkeit und Güte sind jene Grundpfeiler, die ein tragfähiges Fundament ergeben würden und viel zu wenig Beachtung in der Umsetzung finden.
Nun wendet sich der Dalai Lama explizit an die Frauen. In der Form in 12 Themen, in denen jeweils der Dalai Lama selbst seine Gedanken zum Thema benennt, im Anschluss antwortet in direkter oder indirekter Weise eine Frau zum Thema.
Gewohnt kurz, prägnant und in der Tiefe durchdacht liegen die Texte des Dalai Lama vor, wie immer auf dem aktuellen Stand der Diskussion, auch das Fortschreiten der Neurowissenschaft nimmt er genauso begrüßend in seine Überlegungen auf wie die Erkenntnisse über die Verbindungen zwischen Geisteshaltung und emotionaler Ausrichtung. Die Entwicklung von äußeren Frieden geht untrennbar einher mit der Entfaltung eines inneren Friedens, beides ist unabdingbare Voraussetzung für ein Leben in einer globalisierten Welt, in der immer schon auf spiritueller Ebene alles mit allem verbunden war und bleiben wird.
Ermutigende Einsichten und ein Aufruf an die Frauen dieser Welt, nicht zu resignieren angesichts der Härte und Übermächtigkeit (noch) harter Konturen an vielen Schaltstellen der Macht politischer und wirtschaftlicher Prägung. Einsichten, denen die Texte der antwortenden Frauen in bester Weise korrespondieren ohne die mannigfaltigen Hindernisse auf dem Weg der Umsetzung zu verschweigen.
Ein wichtiger Aufruf, aber auch ein wichtiger Hinweis für jeden, der beginnt zu begreifen, dass Sinn und Ziel des Lebens nie im Äußern zu finden sein werden. Gerade die ständigen Versuche, durch äußere Macht und Statussymbole einen inneren Wert zu finden, werden in diesem Buch eindringlich entlarvt und die zerstörerische Kraft dieser ständigen Bestätigungssuche offengelegt. Eine andere, weitreichende Haltung bringt der Dalai Lama nahe. Man müsste sie nur umsetzen. Friedlich umsetzen. Auch gegen Widerstand. Ermutigende Beispiele finden sich genügend im Buch.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-05-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.