Es ist kurz vor Weihnachten. Die Erzählerin des hier anzuzeigenden Jugendromans der in den USA sehr erfolgreichen Jugendbuchautorin Nina LaCour, Marin, hat gerade ihre Mitbewohnerin Hannah in die vierwöchigen Weihnachtsferien verabschiedet. Sie selbst will das College im Staat New York nicht verlassen über die Feiertage, weil sie keinen Ort mehr hat, wo sie hingehen soll. Ihre Vergangenheit scheint zerschmettert, ihre Gegenwart einsam und ihre Zukunft dunkel.
Viele tausend Kilometer ist sie vor einigen Monaten geflohen in dieses kleine Privatcollege. Geflohen aus einem Leben, das sich für sie als eine einzige Lüge darstellt.
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Am Anfang ist es für den Leser noch sehr unverständlich, wieso Marin sich absichtlich in diese Einsamkeit begibt und in ihr verharrt, als würde sie einen Winterschlaf halten, aus dem es kein Erwachen mehr gibt. Doch im Laufe des Buches lüftet Nina LaCour mit vielen Rückblicken aus den Monaten Mai bis September das Geheimnis Marins und das ihres Großvaters, bei dem sie lebt, seit ihre Mutter bei einem Surfunfall ums Leben gekommen ist als Marin gerade mal drei Jahre alt war. Es wird mehr und mehr klar, welche Vorkommnisse und welche lange Geschichte Marin schlussendlich an diesen für sie einsamen Ort im College in New York gebracht hat.
Klar wird mehr und mehr auch die Person und die Rolle ihrer langjährigen Freundin Mabel, die, nachdem das College über Weihnachten seine Pforten geschlossen hat, plötzlich vor der Tür von Mabels Wohnhaus im College steht, und sie auch im Namen ihrer beiden Eltern einlädt, zumindest in den Ferien zu ihnen nach Hause zu kommen.
Hunderte von SMS und Nachrichten ihrer Freundin auf dem Anrufbeantworter hat Marin in ihrer tiefen Trauer unbeantwortet gelassen. Es scheint, als wollte sie mit nichts mehr konfrontiert werden, was sie an ihr anderes Leben erinnert, ein Leben, das sich für sie als eine einzige große Lüge herausgestellt hat.
Doch Mabel lässt nicht locker, auch nicht nachdem Marin ihren Vorschlag abgelehnt hat und ihre Freundin nach drei schweren gemeinsamen Tagen, die angefüllt sind mit langen Phasen des Schweigens und langen Gesprächen über die gemeinsame Vergangenheit und über Marins Schicksal, allein zum Flughafen fahren lässt.
Doch weder Marin noch der erschütterte Leser haben mit Mabels treuer Freundschaft gerechnet und mit der Fürsorge ihrer Eltern. Und Marin wird schlußendlich begreifen, dass sie sich entscheiden muss. Entweder sie verharrt weiter in ihrem Verdrängen ihrer sehr schmerzhaften Lebensgeschichte und der ambivalenten Rolle, die ihr Gramps darin gespielt hat, oder sie stellt sich wieder dem Leben, das sie in den Personen von Mabels Familie wieder zum Mitmachen und Mitleben einlädt.
Kirkus Review in den USA nannte das Buch einen „wunderschönen Lobgesang auf die reinigende Kraft der Wahrheit“. Ja, und es ist auch eine Hymne an die tragende Kraft der Freundschaft.
Nina LaCour, Alles okay, Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26435-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-10-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.