Wenn sich drei Personen in schweren Identitätskrisen und völliger Orientierungslosigkeit befinden und zudem ein ausgefallenes Verständnis von Lust und Sexualität haben, kann das ein Grund sein, dass sie zusammenfinden und sich von da an in solchem Maße bedingen, dass sie gegenseitig ihre Identitäten, die sie ohnehin nur sehr schwach wahren konnten, auslöschen und zu einem verschmelzen. Täter wird Opfer und Opfer Täter.
So geschieht es den drei Hauptpersonen in Flavian Kurths Roman „Hypercannibal“, eine Frau, Elena Morienda, die sich schon von Kindesbeinen an in schweren psychischen Verwirrungen befindet trifft auf das Brüderpaar Will und John Berkeley, jedoch nicht in Gemeinsamkeit sondern unabhängig voneinander. Dass einer der beiden der Auslöser für die spätere Mordhandlung des anderen an Elena sein wird, kann der Leser zunächst nicht ahnen, das einzige, was von Anfang an klar ist, ist, dass Elena stirbt, sofern sie nicht schon tot ist. Auf mehreren verschiedenen Handlungsebenen beschreibt der Autor, wie die Beziehungen zwischen den Personen, ohne dass sie es ahnen, immer mehr zusammenlaufen und sich zu gleichen beginnen. Dabei kann der Leser nie genau abschätzen, wie sicher er sich seines Wissens sein kann, wie weit er die gleiche Erfahrungswelt teilt wie die Protagonisten. Ein Geflecht von Handlungen, verstärkt durch Zeit –und Ortswechsel, entsteht.
Intelligent, spannend und sehr deutlich beschreibt Kurth, seine Geschichte eines Kannibalenmordes, der sich im Falle dieses Romans jedoch lediglich am Rande der Handlung befindet, vielmehr legt er Wert auf das psychische Innenleben der Individuen, ihre Erfahrenswelten und ihren permanenten Versuch, sich von den Schmerzen, die das Leben für sie bedeutet, zu heilen.
[*] Diese Rezension schrieb: Florian Sieber (2007-02-22)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.