Fünfzig Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel, mitten in einer Situation nach den letzten Gazakriegen und den sich zuspitzenden inneren Konflikten im Land, schreiben israelische und deutsche Autoren über das jeweils andere Land und erzählen, eingeladen von Herausgeber Norbert Kron von einer gemeinsamen Gegenwart.
Die insgesamt neunzehn Beiträge sind eine wichtige Ergänzung und Erweiterung der beiden in diesem Frühjahr in Deutschland erschienenen neuen großen Romane von Lizzie Doron und Amos Oz. In „Who the fuck is Kafka?“ erzählt Lizzie Doron von ihrer eigentlich unmöglichen Freundschaft mit einem palästinensischen Intellektuellen. Weil in Israel so ein Thema niemand interessiert, ist das Buch nur in Deutschland erschienen. Doch mittlerweile ist auch sie skeptisch: "Zwischendurch war ich sehr optimistisch, dass wir gemeinsam etwas bewirken könnten. Mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. Wir sind zwar befreundet, aber die kulturellen Unterschiede sind mindestens so prägend wie die politischen."
Amos Oz neuer Roman „Judas“ spielt zwar in der Vergangenheit, hat aber deutliche Botschaften für Gegenwart. Mittlerweile auch in Tel Aviv lebend und hoch in den Siebzigern, will er die Hoffnung nicht aufgeben, ist aber sehr realistisch
Auch der Umstand, dass die Stimmen der Friedenstauben im Land unter dem aggressiven Geschrei der Falken untergingen lässt ihn nicht verzweifeln: "Man hat hier nie hören wollen, was die Propheten gesagt haben. Dass man nicht auf eine Minderheit hört, hat eine lange Tradition." Oz ist nach wie vor von der Notwendigkeit und Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung überzeugt. Obwohl er zugibt, dass es im Moment schwer ist, den Mann auf der Straße von der Notwendigkeit eines Rückzugs aus dem Westjordanland zu überzeugen. "Nachdem wir Gaza geräumt haben, kommen nun von dort die Raketen. Wie soll ich jetzt begründen, dass ein Rückzug aus den anderen noch besetzten Gebieten unser Leben sicherer macht?" Doch er gibt die Hoffnung nicht auf. "Für viele arabische Länder ist Israel heute nicht mehr der Hauptfeind. Wenn man mir vor dreißig Jahren gesagt hätte, ich könne mit meinem israelischen Pass nach Amman oder Kairo reisen, hätte ich gelacht. Vielleicht können das mal meine Enkelkinder, hätte ich gesagt. Aber nun kann ich es selber noch. Die Zeit hier vergeht schnell. Von heute auf morgen können sich die Dinge ändern."
Die Hoffnung, dass die vorgezogene Neuwahl der Knesset ein möglicher Beginn solcher Veränderungen sein könnte, hat sich am 18.3.2015 als eine neuerliche Enttäuschung herausgestellt.
Was wird aus Israel werden?
Norbert Kron (Hg.), Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen, S. Fischer 2015, ISBN 978-3-10-002391-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-03-20)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.