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Helmut Krausser - Aussortiert
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Krausser, Helmut:
Aussortiert

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(Bücher frei Haus)

In seinem Nachwort erzählt Helmut Krausser, langjährige Leser hätten sicher schon bemerkt, dass er jedes Mal ein völlig anderes Buch zu erschaffen versuche. Sich vor der literarischen Qualität von Thomas Hettches „Der Fall Arbogast“ verneigend, offenbart er, dass er diesen Berliner Serienmorde-Krimi bei Eichborn 2007 unter dem Decknamen Titus Keller hatte erscheinen lassen. Das vermeintliche Debüt sei freundlich, aber nicht überschwänglich aufgenommen worden. Mit der Zeit sei das Pseudonym enttarnt worden, daher könne das Buch nun unterm echten Krausser-Namen vertrieben werden.

Vergleicht man es mit den gedanklichen und formalen Frechheiten und der komischen Fantasie der ebenfalls 2007 herausgekommenen Novelle „Kartongeschichte“, sticht bei „Aussortiert“ ins Auge, wie risikoscheu der deutsche Krimileser und wie konventionell das Krimi-Genre offenbar sind. Was man liest, ist solide, zieht seinen Leser von der ersten bis zur letzten Seite vorwärts, entledigt sich aber an keiner Stelle der tausend Mal gelesenen und gesehenen Schablonen deutscher Feierabend-Krimiunterhaltung. Man hätte das (in jüngeren Jahren) mit „Schimanski“ Götz George verfilmen können; die Fans wären zufrieden gewesen.

Eigentlich steckt eine Elefantenhochzeit ausländischer Kartelle für Koks- und Mädchenhandel dahinter. Eine mysteriöse Dame dieses Milieus hat beschlossen, dass ein lästig gewordener „Schweinezeitung“-Promi-Reporter zu verschwinden hätte. Da dies von gewissen Leuten vielleicht nicht akzeptiert würde, wird eine „Verrückter Einzeltäter mordet nach „Seven“-Vorbild“-Killerserie „getürkt“. Mangelnde Selbstbeschränkung bei den Auftraggebern führt dann leider noch dazu, dass unter den vermeintlich rein zufälligen Opfern des „Wahnsinnigen“ auch noch ein anderes ist, das bei „The Very Big Thing“ die Finger im Spiel gehabt hatte.

Allein deswegen schon dürfte der, durch seine Depressionen (wegen hoffnungsloser Verliebtheit in seine Kollegin und übermäßigem Alkoholverbrauch) gehandikapte, Kommissar Kai Nabel irgendwann in die Lage kommen, den perfiden Plan zu entziffern. Schneller geht’s jetzt durch den Zufall: Nabels Kollegin, die Profilerin Lidia Rauch, schwebt in Gefahr, kokainsüchtig zu werden und ist deswegen auf den speckigen „Mittelsmann“-Polizisten Pfeifer angewiesen. Pfeifer ist verdeckter Ermittler, darüber hinaus aber auch Mitläufer und Mitverdiener der Mörder.

Zitat:

Nabel glaubte nicht recht daran. Welcher Bulle wird je dabei erwischt, wenn er ein Tütchen einschiebt? Und gesetzt den Fall, daß - wozu Milde walten lassen? Seiner Meinung nach war es möglich, daß man für Pfeifer eine Legende erfunden hatte. Vielleicht war er inzwischen bei der Polizei der Polizei und bot Kollegen Drogen an, als Lockvogel mit geschwärzter Vergangenheit. Ob er dabei nur im Auftrag arbeitete oder auch für die eigene Tasche, blieb undurchschaubar. Vielleicht, diese Möglichkeit bestand, war er tatsächlich zum Streifendienst abgestellt worden, und Nabel geheimnißte in diesen verkorksten Typen unnötig was hinein.

Vollständig klar, was ihm vorschwebte, scheint Helmut Krausser bei Schreibbeginn nicht alles gewesen zu sein. Um später im Buch den Unwillen seines Lesers nicht zu erregen, wenn er die großen Verbrechersyndikate aus dem Ärmel zieht, hat er sich für ein Buch entschieden, das zwischen die Handlungskapitel Zwiegespräche namen- und gesichtsloser Gangster einblendet. Deren Identität wird nach und nach deutlicher. Allerdings bedeutet dies auch, dass der nicht unspannende Profiling-Recherche-Roman nicht mehr geht, den „Aussortiert“ irgendwann mal hätte geben können. Die wiederholten Fragen, ob nicht ein ganz Mächtiger weit droben in der Polizeihierarchie die Finger im dreckigen Spiel hat, lässt Krausser schließlich sang- und klanglos untern Tisch fallen. Nein, doch keine Polizeimafia in diesem Buch. Tricks, die ein aufmerksamer Leser merkt und ihm verübelt.

Ein Buch, das - wie viele deutsche Unterhaltungsromane - fabelhaft anfängt, auf die Dauer aber immer mehr durchhängt. Grammatische, stilistische und orthografische Schlampereien nehmen gegen Ende Besorgnis erregend zu. Offenbar hatten zu diesem Zeitpunkt sowohl Autor wie Lektorat den Roman als billige, kleine Räuberpistole schon aussortiert.

[*] Diese Rezension schrieb: KlausMattes (2015-12-07)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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