Erzählt wird von zwei jungen Frauen und dann auch noch von zwei Männern, jeweils gleichgeschlechtlich verbunden. Eri, die ihren Job als Putze im Pornoladen so richtig mag, allerdings immer noch Jungfrau ist und dummerweise zu Hause einen riesigen Karton versteckt hält, in dem sich die mumifizierte Leiche ihres Vaters befindet, dessen Rente sie nach wie vor einkassiert. Sowie Liz, die in der Fußgängerzone auftritt - als bewegungslose, silberne Figur. Liz, die von ihrem bescheuerten Ex, Stan, gestalkt wird. Es dauert nicht lang, da entdecken die Mädchen gemeinsam die Freuden der lesbischen Liebe und entscheiden sich, den Vater im Ozean zu versenken.
Wozu sie jetzt Männer mit starken Armen und einem großem Kofferraum brauchen. Am besten Jonas, Eris Chef, den schwulen, schwarzen Chef vom Pornoladen. Jonas wiederum ist auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf für seine neue Flamme, Angelo, einen strohdummen, dabei lieben und schnuckligen Methadonsubstituierten, der es mit seinen Bewährungshelfern und der Drogenmafia bös verkackt und zuletzt einen Supermarkt ausgeraubt hat, wobei für ihn allerdings nur ein Trumm Rinderfilet heraussprang, das er irgendwo in einen Graben warf.
Mit seinem Feldstecher von außerhalb heimlich zuguckend ist auch noch der eifersüchtige Stan dabei und zieht messerscharfe Schlüsse. „Seine“ Liz scheint mit dem „Neger“ zusammen zu sein. Der kleine Tuntige mit der Wohnungsbesitzerin (der mit dem großen Paket). Schlechte Karten, wenn man sich messen lassen muss an einem großschwänzigen Neger.
Helmut Krausser ist die Sorte Schriftsteller, die einem Ringe durch die Nasenspitze hindurch schreibt und man begreift nicht, wie sie das gemacht haben. Die Sorte manischer Persönlichkeit, die nicht akzeptiert, wenn irgendwo eine Zeile übrig geblieben ist, die ihr persönliches „der Erstaunliche“-Wasserzeichen noch nicht enthält. Ein Mann, der Kapitel „d“ - oder jedenfalls schon mal so tut:
Zitat:
XI. d Chapter. An dieser Stelle wurde ein Kapitel getilgt, um der Geschichte mehr Drive zu verleihen. Kilometerlang wird darin geschildert, wie Angelo nach einem tränenreichen Nervenzusammenbruch ...
XI. d Chapter. An dieser Stelle wurde ein Kapitel getilgt, um der Geschichte mehr Drive zu verleihen. Kilometerlang wird darin geschildert, wie Angelo nach einem tränenreichen Nervenzusammenbruch ...
Welche Coolness! Welche Verspieltheit! Welche Wurschtigkeit immer wieder auch! Herzlosigkeiten und Sentimentalitäten in wildem Durcheinander. Der unsterbliche Retter des deutschen Komödienkinos all dieser Wortmann, Horman, Buck, Schweig(höf)er, Kreuzpaintner, Herbig, wenn die ihm nur endlich mal den gut dotierten Drehbuchauftrag gäben, statt es immer selber zu vermurksen.
Natürlich laufen sich mit der Zeit dermaßen witzige und respektlose Bücher auch mal ein wenig tot. Der erwachsene Mensch beginnt zu verlangen, dass es „um was gehen“ müsse in Büchern. Nicht bloß ums Rücksenden von Vaterleichen in die Heimat per DHL-Post. Um Frauen, denen eine erfundene Adresse gesagt wird, wo angeblich ihr Geschiedener sich aufhält, sie fahren hin, erkennen den Geschiedenen in einem wildfremden Mann und machen sich daran, ihn zurückzuholen.
Wahrscheinlich verlangt der erwachsene Literaturleser danach, dass es in guten Büchern um Themen wie Zeit, Familie, Erinnerung, Politik, Kosmos, Gott, Freiheit oder Verantwortung geht. Eines Tages müssen die amüsanten Geschichten auch noch „philosophisch“ sein. Das ist der Tag, da man zu Daniel Kehlmann greift statt zu Helmut Krausser. Der Tag, an dem der wahre Spaß ein Ende hat.
Zitat:
Angelo, in eine Fleece-Decke gehüllt, träumt etwas sehr Sonderbares. Während er, als Lieblingsjünger Johannes verkleidet, dem gekreuzigten Jonas die durchbohrten Füße salbt, sie mit der Hand liebevoll von Schmeißfliegen freifächelt, fällt nebenan, im Tempel zu Jerusalem, ein riesiger Sack Reis um. Eine bibeltiefe Stimme, männlich und mächtig, verkündet, von Donner und bunten Blitzen umrahmt, daß so oder ähnlich alle Reissäcke dereinst umfallen werden, im Tempel des Herrn zu Jerusalem.
Angelo, in eine Fleece-Decke gehüllt, träumt etwas sehr Sonderbares. Während er, als Lieblingsjünger Johannes verkleidet, dem gekreuzigten Jonas die durchbohrten Füße salbt, sie mit der Hand liebevoll von Schmeißfliegen freifächelt, fällt nebenan, im Tempel zu Jerusalem, ein riesiger Sack Reis um. Eine bibeltiefe Stimme, männlich und mächtig, verkündet, von Donner und bunten Blitzen umrahmt, daß so oder ähnlich alle Reissäcke dereinst umfallen werden, im Tempel des Herrn zu Jerusalem.
[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2014-11-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.