„She is strong and ferocious. Frantic. She roars like a lion, but she is not.“, so beschreibt Maria Callas die Rolle der „Norma“, die ihr so gerne auf den Leib geschrieben wurde, nicht zuletzt deswegen, weil sie sie in ihrem Leben mehr als 90 Mal gesungen hatte. In der berühmtesten „Arie“ aus Vincenzo Bellinis Meisterwerk, „casta diva“ heißt es „Cadrà; punirlo io posso. (Ma, punirlo, il cor non sa. Ah! bello a me ritorna. Del fido amor primiero; In your first true love ; E contro il mondo intiero. Difesa a te sarò.)” (Er wird fallen. Bestrafen kann ich ihn. (Aber das Herz kann es nicht. Zu mir kommt sie zurück. Meine erste Liebe. Und gegen die ganze Welt werde ich sie verteidigen).Aber war das wirklich die Callas? War sie ein Löwe mit einem weichen Herz, der nur dann brüllte, um nicht verletzt zu werden?
Auch die hier vorliegende Callas Dokumentation stellt die tragische Liebesgeschichte zwischen der Diva und Onassis an den Anfang einer sehr gut gemachten und äußerst sehenswerten Produktion, die besonders durch Aufnahmen an Originalschauplätzen, authentisches Material wie Familienfotos und eine akribisch genaue chronologische Vorgehensweise glänzt. So erwähnt die Sprecherin immer das genaue Alter und die Jahreszahl in der sich das Gezeigte zuträgt und verhilft dem Zuseher dadurch zu einer genauen Orientierung in der an Schicksalsschlägen nicht armen Biographie der Maria Cecilia Sophia Anna Kalogeropoulos, genannt „Maria Callas“, la divina, la prima donna assoluta, the sublime soprano…
Als eher ungeliebtes Kind (ihre Mutter wollte nach der ersten Tochter unbedingt einen Sohn haben) wuchs die leicht fettleibige Maria in einer working class neighbourhood in New York auf, wo ihr der Umgang mit anderen Kindern strengstens untersagt war. Die Familie zog später öfters um, bis sich die Eltern schließlich trennten und die Mutter mit ihren zwei Töchtern nach Athen zurückkehrte. Die Kindheit der Callas wird nicht nur durch Besuche an Originalschauplätzen, sondern auch durch eine Reihe von Familienfotos bebildert und so kann man sich ein genaues Bild von den Verhältnissen in denen die Künstlerin aufwuchs machen. Darüber hinaus werden natürlich auch Interviews und Live- sowie Probeaufnahmen von der Callas gezeigt. Am verblüffendsten sind dabei sicherlich die Fotos der Diva im Badeanzug: mit 29 Jahren wog sie noch gute 100 Kilo, um sich dann als Dreißigjährige als wahre „model“-Schönheit am Strand zu zeigen und damit selbst Laufstegmodells Konkurrenz zu machen. In etwas mehr als einem Jahr hatte sie sagenhafte 35 kg abgenommen, wird in der Dokumentation ganz nebenbei erwähnt und das Ergebnis ließ sich tatsächlich sehen. Aber am bestechendsten ist neben ihrer Stimme, natürlich ihr klassisches griechisches Profil, das an so manche Statue aus der griechischen Götterwelt erinnerte. Besonderes Augenmerk wird für die Ästheten unter den Betrachtern auch auf die Kostüme der Maria Callas gelegt, die spätestens nachdem sie ihre Idealmaße erreicht hatte, in unglaublicher Pracht glänzen und glitzern, was dem Regisseur offensichtlich großes Vergnügen bereitet hat, da er die Bühnenkleidung der Callas in vielen Großaufnahmen zeigt. Aber auch die Bühnenbilder der Opernaufführungen werden gezeigt, etwa die der Scala oder in einer ganz schönen Aufnahme eine Kamerafahrt auf das Fenice in Venedig, wo der „sublime soprano“ einen seiner ersten Erfolge feierte.
Italien war ohnehin „das“ Land für die Callas, hier begann ihre Karriere in der Arena von Verona, über das Fenice in Venedig bis hin zur Scala in Mailand, um dann etwas später am Höhepunkt ihrer Karriere in Rom zu scheitern. Sie musst im II. Akt der „Norma“, ihrer Paraderolle, abbrechen, da ihre Stimme versagte. Kurz darauf wurde sie jedoch in einem Nachtclub Champagner trinkend gesichtet und die Fans belagerten aufgebracht sogar ihr Hotel. Am nächsten Tag beim Presstermin wird sie als „frivol“ bezeichnet und ist so schön und charmant wie nie zuvor. „Rom“ nahmen ihr nicht nur ihre Fans, sondern auch vor allem ihre Kritiker lange Jahre noch übel, denn, wie der Regisseur in zusammen geschnittenem Interviewmaterial zeigt, wurde sie immer wieder auf das Fiasko von Rom angesprochen. Die Menschen würden sagen sie sei schwierig, erzählt die Callas freimütig in einem Interview, nur, weil sie immer das Beste erreichen wollte und bis zum Schluss arbeiten würde, um das Beste zu erreichen. „They say I am difficult, because they have to work harder when they work with me.“ Ohne Ehrgeiz wäre es der kleinen, unterschätzten Maria aber wohl nie gelungen zur La Divina aufzusteigen. Doch dafür, für die Unsterblichkeit, zahlte sie auch einen hohen persönlichen Preis.
Die Schattenseiten ihres Privatlebens hingen vor allem mit Onassis, „the man who introduced her to physical love, even to love itself“, zusammen, nicht nur dass sie im 8. Monaten ein Kind („Omero“) von ihm verlor, nein, er verriet sie auch noch und verließ sie für die sechs Jahre jüngere Jackie Kennedy, um dann doch als Liebhaber immer wieder zu ihr zurückzukehren. Ein Selbstmordversuch der Callas mit Schlaftabletten in Paris war die Folge und als Onassis wegen seines verunglückten Sohns bald darauf selber starb, hatte auch die Callas keine Hoffnung für ihr Leben mehr.
„Only my poodles would never betray me“, sagt sie am Ende ihres Lebens. Mit ihrem alten Bühnenkollegen di Stefano ging sie auf eine „resurrection-farewell-mockery-tournee“ (Zitat), um als Gesangslehrerin in Paris zu enden, bis sie schließlich ein früher Tod mit 53 Jahren ereilte, dem sie wohl auch etwas nachgeholfen hatte. „According to Callas the heroine of a melodrama is to sacrifice“, wird sie zitiert. Was bleibt ist ihre Stimme, denn ihr Privatleben und persönliches Glück hatte sie für ein nicht immer gerechtes Publikum geopfert. Selbst ihr Tod ist tragisch, wie die Dokumentation zu erzählen weiß. Die Originalasche der Diva wurde nach ihrer Verbrennung in den USA gestohlen und seltsamerweise Tage später immerhin die Urne gefunden, die dann mit großem Pomp und Staatszeremonie nach Griechenland geflogen wurde. Eine „falsche“ Asche wurde dann in einer festlichen Geste in die Ägäis verstreut, durch die sie so oft mit ihrer großen Liebe, Onassis, gekreuzt war. Ehre wem Ehre gebührt. „Del raggio tuo sereno; E vita nel tuo seno, E patria e cielo avrò. Ah, riedi ancora qual eri allora,Quando il cor ti diedi allora, Ah, riedi a me.”
Philippe Kohly
Callas assoluta
Dokumentation
Arthaus Musik
2007
Französisch oder Englisch mit deutschen Untertiteln
97 Minuten DVD
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-02-12)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.