„Ha muerto! El hijoputa ha muerto”, schallt es am 20. November 1975 durch die Gassen Barcelonas und wohl auch anderer Städte und Dörfer Spaniens. Der „Caudillo“, Franco, war nach einer wochenlangen Agonie im Alter von 82 Jahren gestorben und „sein“ Land bald darauf in die Republik überführt. Aber die sog. Transition dauerte selbstverständlich noch länger. Der Tag, der eigentlich ein Festtag für die kleine, anarchistische Gruppe um Toni, Germain und Jürgen hätte sein sollen wurde getrennt begangen. Eine anarchistische Aktion hatte sie kurz vor Francos Tod in alle Himmelsrichtungen zerstreut und das Misstrauen gegeneinander noch verstärkt.
Widerstand gegen Franco
Eigentlich verdächtigen nämlich alle den Deutschen, Jürgen, sie verraten zu haben, weswegen Toni im Gefängnis landete. Mireia, die beide geliebt hatten, Jürgen und Toni, hatte ihn aber aus anderen Gründen verlassen. Nun, nach Jahrzehnten des Misstrauens sollten sich die vier selbsterklärten Widerstandskämpfer wiederbegegnen. Eine Begegnung allerdings mit Hindernissen. Hannes Köhler hat nicht nur einen Roman über politische Ideale, Freundschaft, Verrat und Treue geschrieben, sondern auch über eine ganze Generation an Aktivisten, die hoffte, die Welt aus den Angeln heben zu können. Der Spanier, der Franzose und der Alemán (Toni, Germain und Jürgen) finden sich im Barcelona der 70er Jahre zusammen, um etwas gegen das faschistische Franco-Regime zu unternehmen. Sie wollen nicht nur im Wirtshaus sitzen und bei Bier und Rauch über Veränderung schwadronieren. Sie wollen etwas tun. Schließlich bringt sie aber auch genau das wieder auseinander, was sie zusammenbrachte: die Politik.
Generation Radical Chic
Einfühlsam beschreibt Köhler das linkslinke Milieu der Siebziger Jahre und knüpft dabei den Faden bis in die Gegenwart. Denn die Aktivisten haben längst selbst Kinder und viele eigene Probleme, die sich anhäuften über die Periode eines ganzen Lebens. So erzählt Köhler auf verschiedenen Zeitebenen (Siebziger bis 2017) die Geschichte seiner Protagonisten und auch ihrer Partnerinnen und Familien und schafft so ein authentisches Sittenbild eines Milieus, das bis heute seine Kontinuitäten in die Hausbesetzerszene u. ä. hat. Köhler bedient sich dabei einer aufgeklärten, gebildeten Sprache, aber teilweise auch eines feministischen Jargons, typisch für die Siebziger eben, obwohl er selbst erst in den Achtzigern geboren wurde. Der Roman spielt in Barcelona, Kopenhagen, Paris oder Frankfurt, denn „die Bewegung“ ist genauso international wie ihre Kinder es ganz selbstverständlich von selbst sind. Radical chic wurde das später selbstironisch genannt, aber die Elterngeneration hatte ja die Fehler gemacht, damit ihre Kinder sie vermeiden konnten. Oder?
Götterfunken ist fast eine Milieustudie, aber lebendig und interessant geschrieben, sodass sich auch jene, die damals nicht dabei waren, dafür begeistern werden. Ein Stück Geschichte eben.
Hannes Köhler
Götterfunken. Roman
2021, Hardcover mit Schutzumschlag, 368 Seiten
ISBN: 9783550050473
Ullstein Verlag
24.-€
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-08-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.