„Wir sind, wie wir lieben“, schreibt Doris Knecht am Ende ihres zweiten Romans „Besser“ in dem sie das Leben von Antonia Pollak beschreibt, die durch Einheirat in die höheren Kreise der Wiener Bobos aufgestiegen ist. Ihren Mann Adam nimmtt sie vorerst nur aus der Distanz wahr, von Liebe kann da gar nicht die Rede sein, obwohl sie immerhin zwei Kinder, Juri und Elena, von ihm hat. Da sie den Immobilientycoon und Sohn jüdischer Exilanten vor allen Dingen als Ernährer sieht, kann sie ihn auch mit einem gewissen „W“ betrügen, denn was er nicht weiß, macht sie umso heißer. Erst als in ihrem Wohnhaus im Wiener „in“-Viertel beim Brunnenmarkt eine Tragödie „unter Ausländern“ passiert, denkt Antonia, an ein ehrlicheres Leben, bis dann doch wieder das vielzitierte iPhone klingelt und wer wird da wohl am anderen Ende sein? Wir sind, wie wir lieben, ja, also hinterfotzig und gemein, unehrlich und falsch?
Doris Knecht beschreibt eine Frau, die eigentlich alles hat, um glücklich zu sein und es doch nicht ist. Statt zu arbeiten und sich darin eine Form der Selbstverwirklichung zu ermöglichen, hat sie einen Ehemann, der sie ernährt und emotional hält sie sich an einen Liebhaber, der zwar zumeist ohnehin durch Abwesenheit glänzt, was ihn natürlich gerade besonders praktisch macht, aber dann doch immer wieder in den richtigen Augenblicken auftaucht. „W“ ist Kriegsreporter und muss beruflich immer wieder verreisen und so hat Antonia viel Zeit an ihn zu denken und ihre Sehnsucht (etwa in der Badewanne) zu steigern. Da sie selbst eigentlich zur Underclass gehört, bevorzugt sie es nicht in Restaurants zu gehen, weil die Kellner es gleich herausfinden würden, dass sie nicht zu den Herrschaften gehört und so kocht sie stattdessen lieber für die illustren Freunde ihres Mannes in der tollen Dachterrassenwohnung ihres Mannes.
„Besser“ läßt auch Gruber aus Knechts gleichnahmigen Erstlingsroman („Gruber geht“) wieder aus der Versenkung auftauchen, die meisten anderen beschriebenen Freunde des Ehepaares Pollak sind allerdings eher unsympathisch, aber das liegt wohl auch an Antonias Beschreibungen, die sich bei diesen Bobos einfach nicht wohlfühlt, weil sie ja einfach nicht dazugehört oder dazugehören will. Diskurse über Kinder und vegetarisches Essen werden so elendslang und langweilig beschrieben, wie sie wohl auch tatsächlich sind und wer darin ein Bernhard’sches Talent verwirklicht sehen will (etwa in der ewigen Wiederholung ein stilistisches Element sehen zu wollen), der tut der Knecht ziemlich viel Ehre an, die ihr nach „Gruber geht“ auch zweifellos gebührte.
Auch die Milieuschilderung der Wiener Bobos mag in „Besser“ zweifellos gelungen sein, was wohl auch daran liegen mag, dass sich die Autorin selbst in eben diesem bewegt. Der Charakter der Protagonistin ist aber ebenso unglaubwürdig und unauthentisch wie Knechts Tiraden über Sektgläser und den ersten Kuss überflüssig sind. Ein ganz gemeines Ettiket wäre wohl „Hausfrauenroman“ oder „Rosamunde Pilcher der Bobos“, aber selbst die sind zuweilen weniger klischeehaft und stereotyp beladen als Knechts zweiter Roman „Besser“: Der dramaturgische Höhepunkt, das Moment der letzten Spannung, ist nämlich ausgerechnet der Mord an der Polin durch einen Jugoslawen, das Hausmeisterehepaar, das eine kleine Tochter zurückläßt. Und gerade als Antonia ihr Leben endlich wirklich ändern will, ist „W“ in der Leitung. Das wiederholte zitieren der Telefonmarke Antonias (das ich hier wohlweislich unterlasse) ist wohl ebenso nervend, wie die Geheimniskrämerei der Protagonistin und die Unterstellung, dass jeder seine Geheimnisse brauche, um ein Mensch zu sein. Denn sind es nicht genau diese Geheimnisse, die Beziehungen – wie jene zwischen Alenka und Mirkan – zerstören? Aufrechte, grade Menschen, das wär doch ein hehres Ziel…Also doch lieber mehr Grubers, als Antonias...?
Doris Knecht
Besser
Rowohlt
284 Seiten
ISBN 978-3-87134-740-5
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-05-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.