Normalerweise hat sie andere Themen auf ihrer Agenda, die Journalistin und Bestsellerautorin Constanze Kleis. Doch als ihre Mutter unheilbar an einem Hirntumor erkrankt, und Constanze Kleis sie durch mehree Kliniken und über ein halbes Dutzend verschiedene Stationen bis in die Palliativmedizin begleitet, da muss sie Erfahrungen machen, die sie geradezu zum Schreiben dieses Buches gezwungen haben. Denn sie hat am Leiden und Sterben ihrer Mutter einen medizinischen Alltag erlebt, der sie erschüttert hat und den sie durch ihre Recherchen immer wieder bestätigt fand. Unser Leben und das unserer Lieben geht in diesem Lande sehr wahrscheinlich unter Bedingungen zu Ende, die schockierend anders sind, als wir es uns erhoffen.
Constanze Kleis spart nicht mit beißender Kritik, nicht nur an dem medizinischen Betrieb in den Kliniken, sondern auch an einem Profitdenken, das längst schon in der Palliativmedizin angekommen ist und an ihrem Hausarzt: „Es ist Mittwochnachmittag. Wir haben eine tote Muter im Haus. Der Notarzt war jetzt oft genug da. Der Hausarzt ist nicht erreichbar. Entgegen seinen Beteuerungen, ihn jederzeit, wirklich jederzeit, anrufen zu können. Ja, auch auf dem Handy. Aber das ist ausgeschaltet. Er wäre so gerne ein wirklich guter Mensch. Außer mittwochs. Da ist die Praxis geschlossen, und auch das Mitgefühl hat Ruhetag.“
Es sind solche harten Urteile, die einen beim Lesen manchmal verstören, gerade wenn man wie der Rezensent auch andere Erfahrungen gemacht hat und immer wieder staunt, welche auch menschliche und empathische Leistungen manche Ärzte und viele Schwestern täglich aufbringen.
Auch Constanze Kleis hat Menschen getroffen, die ihr zeigten, dass Ärzte auch anders sein können. Dennoch musste sie dieses Buch schreiben und von ihren bitteren Lektionen berichten, die sie während der Leidenszeit ihrer Mutter gelernt hat. Wer das Buch wie der Rezensent liest als einer der zwei Drittel bis drei Viertel seines Lebens schon hinter sich hat, und für den jederzeit der Fall der Fälle eintreten kann, der bleibt ernüchtert und schockiert zurück. Denn so stellt man sich sein eigenes Sterben und sein eigenes Ende nicht vor. Und doch wird es wahrscheinlich so oder ähnlich sein, denn dass sich an unserem medizinischen System kurz- oder mittelfristig etwas ändern wird, ist sehr unwahrscheinlich.
Constanze Kleis, Sterben Sie bloß nicht im Sommer und anderen Wahrheiten die Sie über Ihr Ende wissen sollten, Dumont 2012, ISBN 978-3-8321-9657-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-06-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.