Herr Kiyak ist der Vater der bekannten Publizistin Mely Kiyak. Als er in Rente geht, denkt er: „Jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an.“ Doch er wird unerwartet krank. Ein Lungenkrebs zwingt ihn ins Krankenhaus und in eine Chemotherapie. Seine Tochter fährt ihre Arbeit zurück, um jeden Tag bei ihrem Vater in der Klinik zu sein.
Ihr Buch ist ein bewegendes Dokument der Auseinandersetzung einer Tochter mit dem bevorstehenden Tod des Vaters, den beide zunächst nicht wahrhaben wollen. Doch als Mely Kiyak ihren Vater, zunächst um ihn wohl abzulenken, bittet in seine Vergangenheit zurückzugehen und zu erzählen von der Familie in der Türkei, da knüpft der Vater ohne Probleme an eine Tradition an, die in seiner Heimat seit Generationen gepflegt wird: Geschichten sammeln und Geschichten erzählen.
Dem Buch ist auf jeder Seite abzuspüren, mit welcher Liebe und Achtung die Autorin, die schon immer zwischen den Traditionen der Einwanderer und denen ihrer neuen Heimat vermitteln wollte, ihrem Vater begegnet. Und man spürt ebenso den verzweifelten Versuch, aus einer Ausweglosigkeit zu entkommen, die sie in einem lyrischen Text ihrem Buch vorangestellt hat:
„Man stirbt.
Man steht morgens auf, macht seine Arbeit und stirbt.
Man träumt und stirbt.
Man gießt Blumen, geht einkaufen, schüttelt Decken aus und
stirbt.
Man liest. Man liebt. Man stirbt.
Vögel zwitschern, Narzissen springen mit einem leisen
Rascheln auf – was folgt ist Sterben.
Ob man es brauchen kann oder nicht, zwecklos sich damit
anzulegen, man stirbt.
Man stirbt. Man stirbt.“
Ein bewegender Roman über die Liebe, das Sterben und den Tod.
Mely Kiyak, Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an, S. Fischer 2013, ISBN 978-3-10-038212-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-07-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.