Nach ihrem überzeugenden Debüt „Das Seelenhaus“. Dessen Handlung sie im Island des Jahres 1828 ansiedelte, verlegt die australische Schriftstellerin Hannah Kent das Geschehen ihre neuen Romans „Wo drei Flüsse sich kreuzen“ erneut nach Europa, dieses Mal nach Irland. Wieder schildert das Leben von Menschen im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Ein hartes, schweres Leben, in Irland geprägt von der Religion und von einer immer noch starken Macht eines jahrhundertealten Aberglaubens, gegen den auch Vertreter der Amtskirche nichts auszurichten vermögen.
Die Handlung des hervorragend recherchierten Romans (Hannah Kent hielt sich hierfür monatelang in Irland auf) basiert auf einer wahren Geschichte.
Nora Roche ist eine angesehene Bewohnerin ihres Dorfes, als sie einen schweren Schicksalsschlag erlebt, als ihr Mann plötzlich stirbt. Nachdem sie erst kurz davor den Verlust ihrer Tochter zu verkraften hatte, steht sie nun mit ihrem Enkelsohn Michael allein, der nach dem Tod der Tochter zu Nora und ihrem Mann gekommen ist. Vor zwei Jahren haben sie ihn zum letzten Mal gesehen und können ihn nun kaum mehr wieder erkennen. Das Kind, das jetzt bei ihnen ist, ist schwer behindert, sehr verzögert in seiner Entwicklung und sofort beginnen im Dorf die Gerüchte, das Kind sei ein von den Feen verwunschener Wechselbalg. Sogar den Tod von Martin und die Tatsache, dass die Kühe in der Gegend wenig Milch geben oder sterben, bringen die abergläubischen Menschen mit dem Kind in Verbindung.
Weil Nora ohne Mann die ganze Arbeit , die sie insbesondere durch das bewegungsunfähige Kind hat, nicht allein bewältigen kann, verdingt sie mit der 14- jährigen Nora auf einem Markt in der nahe gelegenen Stadt eine Magd, die ihr besonders mit dem Jungen zur Hand gehen soll.
Für das junge Mädchen ist das eine anspruchsvolle und anstrengende Aufgabe, die sie aber mit viel Empathie annimmt. Bald schon hat sie zu Michael eine starke emotionale Bindung aufgebaut.
Von den immer heftiger aufkommenden Gerüchten, Michael sei ein von den Feen verwunschener Wechselbalg, halt Mary im Gegensatz zu Nora nichts.
Nora indes schenkt den Gerüchten große Aufmerksamkeit und verfällt zunehmend dem Glauben, dass ihr kleiner Junge mit einem Feenwesen vertauscht wurde. Sie begibt sich zu der weisen Nance, die fachkundig in der Kräuterlehre ist und von sich selbst behauptet, mit den Feen in Kontakt zu stehen. Sie soll helfen, den wahren Michael wieder von den Feen zurückzuholen. Der neue Pfarrer, der im Gegensatz zu dem alten vom Aberglauben der Landbevölkerung gar nichts hält, droht Nora mit Folgen, sollte sie weiter den Kontakt zur weisen Nance halten.
Nora, Nance und, mit vielen inneren Widerständen auch Mary, verfolgen aber ihren Weg weiter. Sie wollen Michael von den Feen zurückholen und sie riskieren dabei alles, zuletzt sogar sein Leben und ihrer aller Zukunft.
Ein mitreißendes Drama um die Macht von Angst und Aberglaube - basierend auf einer wahren Geschichte aus dem 19. Jahrhundert.
Hannah Kent, Wo drei Flüsse sich kreuzen, Droemer 2017, ISBN 978-3-426-19979-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-03-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.