Katapult-Verlag - Die Kaputten und die Kaputtgemachten
Buchinformation
Band 2 der Philosophen-Reihe des Katapult-Verlages widmet sich ganz den Kaputten oder Kaputtgemachten. Die schon in Band 1 so bunt und fröhlich aufgemachte Publikation glänzt auch in der Fortsetzung, Band 2, wieder mit Kurzporträts, vielen lustig gestalteten Graphiken und einer Menge Quellennachweisen für die Post-Lektüre.
Kaputte Philosophen im Kurz-Porträt
So lautet etwa der Untertitel zum Beitrag über Slavoj Žižek "Der Metaller" und pointiert wird sein bisheriger Lebenslauf in wenigen Worten schon auf der ersten Seite mit Foto zusammengefasst. Aber der Artikel selbst ist bei weitem noch mehr unterhaltsamer und witzig. So wird etwa erzählt, dass Zitzen einmal ein Fußballstadion füllte und die Tickets für 9000 Euros gehandelt wurden. Sein Gegner im Ring: der rechte Psychologe Jordan Peterson. Žižek soll den Kontrahenten mühelos vom Tisch gewischt haben, ohne dabei auch nur einen Finger gerührt zu haben. So stark ist sein "Metall". Aber wie meinte schon der Meister selbst: "Kuss besteht darin, ernsthafte Botschaften auf witzige Art zu vermitteln". Die Lust am Konsum sei im Spätkapitalismus zum Wunsch das Richtige zu tun pervertiert. Denn der Kapitalismus habe seine Kritik mühelos integriert und verkaufe nun eben Bio und Fairtrade. So wurde letztlich auch das gute Gewissen zu einem Geschäftsmodell. Während die "alte Autorität" uns unser Gewissen noch gelassen hätte, würde die neue es kontrollieren wollen. Was für ein Glück, dass diese Philosoph statt sich aus Liebeskummer umzubringen einfach weitergeschrieben hat, wie er selbst freimütig erzählt. So haben wir auch dem Liebeskummer viel zu verdanken, denn Žižek gehört sicherlich zu den unterhaltsamsten Philosophen der Gegenwart und ist Gottseidank nicht kaputtzukriegen.
Die Postmoderne, die alles umdreht
Die andern Kaputten und Kaputtgemachten wären zum Beispiel Simone Weil, Liu Xiaobo, Rosa Luxemburg, Antonio Gramsci, Emma Goldman, Ludwig Wittgenstein, Isotta und Ginevra Nogarola, Angela Davis, Carl Schmitt oder Sarah Kofman. Sie firmiert in vorliegender Publikation unter "Die Versteckte", musste sich doch vor den Nazis fliehen und konnte nur aufgrund einer neuen Identität überleben. Nach dem Krieg gerät sie zwischen Oma und Mutter und das Gezerre um das Kind landet sogar vor Gericht. Als Studentin ist sie Nietzsche, Freud und dem Feminismus verpflichtet und beginnt über Auschwitz zu schreiben. "Aber wie kann rüber etwas sprechen, angesichts dessen jede Möglichkeit zu sprechen vergeht?", sagt sie an einer Stelle. Auch der Artikel über sie wird mit den berühmten Grafiken des Katapult-Verlages ergänzt. Besonders bedenklich stimmt etwa die Deutschlandkarte mit dem Verzeichnis antisemitischer Tendenzen bei Corona-Demos. Am höchsten war der Anteil gar nicht in den sog "alten Bundesländern", sondern in Bayern. Auch der "Kämpfer" Antonio Gramsci bot dem Faschismus die Stirn und wird heute ausgerechnet von der Neuen Rechten vereinnahmt, wie der Beitrag über ihn nachdenklich stimmt. Seine Idee von der Hegemonie im gesellschaftlichen Diskurs wird von der Neuen Rechten als "Metapolitik"-Strategie angewandt und zeitigt leider auch Erfolge, wie man konstatieren muss. Wie eine weitere Grafik belegt haben rechtsextreme Haltungen in der bundesdeutschen Gesellschaft seit den Siebzigern wieder zugenommen, vor allem aber die gesellschaftliche Akzeptanz dafür.
Neuer Zündstoff für gute Ideen
Weitere Beiträge beschäftigen sich auch mit Angela Davis, die ungerechtfertigterweise interniert wurde und heute wieder als Universitätsprofessorin arbeitet. Oder Rozalia Luksenburg, besser bekannt als Rosa Luxemburg, die die "Sache der Arbeiter" ebenfalls mit ihrem viel zu frühen Tod bezahlte. Aber zumindest posthum für den Zusammenbruch eines ganzen Regimes sorgte. Kurzum: Ein Buch über Philosoph:innen, die für ihre Überzeugungen zugrunde gerichtet wurden, über solche, deren Überzeugungen kaputt waren – und über solche, die an den Überzeugungen anderer kaputtgingen.
Die Kaputten und die Kaputtgemachten
Reihe Philosophen, Band 2
2023, 256 Seiten, Hardcover,
ISBN: 978-3-948923-34-1
Katapult Verlag
22 Euro (DE)
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2023-05-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.