Duridur Sturludottor wartet seit Jahren, seitdem er ein Kind war, darauf, dass jemand den Tod seines Vaters rächt, der einen schmählichen, nicht ehrenhaften Tod bei einer großen Schlacht gefunden hatte. Die Feinde hatten den wehrlos verwundeten wie ein Tier abgeschlachtet. Sie will Rache an Gissur und eine gute Verheiratung ist damals, im 13. Jahrhundert, für eine Frau ein wichtiger Schritt, um Einfluss nehmen zu können.
Gissur, einer der wichtigsten Anführer im Island jener Zeit, der sich vor allem auf die Unterstützung des Süden Islands stützen kann, sinnt auf Frieden nach Jahren des
grausamen Bürgerkrieges, der das Land, vor allem aber die einfachen Einwohner des Landes an den Rand völliger Erschöpfung geführt haben.
Auch dieser Krieg selbst war intensiv von Rache motiviert gewesen, eine der angesehenen Persönlichkeiten Islands, Snorri Sturlusson, war heimtückisch ermordet worden.
Wie immer aber liegen noch mehr und verdeckte Interessen im Hintergrund all dieser Kämpfe. Machtstreben, Eitelkeiten, traditionelle Feindschaften, die nur auf einen Funken warten, um offen auszubrechen, Intrigen und heimliche Verbindungen.
Verschiedene Kräfte ringen somit um die Vorherrschaft im Land und um ihre persönlichen Genugtuungen. Regiert wird von Norwegen aus und König Hakon lässt sich vom Bischof von Holar berichten, wie die Verhältnisse stehen. Das tut übrigens auch dem Leser ganz gut in dieser Ansammlung von Ränken, fremdartig anmutenden Namen und zunächst verwirrenden gegenseitigen Verflechtungen der Protagonisten. Aus seinem Bericht geht deutlich hervor, dass jeder der Beteiligten seine ganz eigenen Interessen verfolgt und nur sicher zu sein scheint, dass keiner der führenden Männer Islands begeistert ist, aus dem fernen Norwegen regiert zu werden.
Der Versuch Gissurs, durch eine Heirat Frieden zu schaffen und die Kräfte des Landes wieder zu einen steht somit unter einem schlechten Stern und, in Person von Dorsteinn Grenja, auch einem Gegner gegenüber, der keine Skrupel kennt und nicht auf die Kräfte der Diplomatie setzt, sondern seine Interessen mit reiner Gewalt durchzusetzen gedenkt.
In der Form erzählt Einar Kárason seine Geschichte aus der ständig wechselnden Perspektive seiner vielfachen Figuren und schafft so eine ganz eigene Atmosphäre, die dem Leser immer einen Vorsprung der Ereignisse eröffnet. Die eigentlichen Ziele der Figuren, ihre Verbindungen, Ränke, Strategien und Beweggründe liegen offen vor den Augen, ohne dass den anderen Protagonisten darüber Klarheit herrschen würde.
In einfachen, klaren und präzisen Sätzen folgt Kárason den Ereignissen so intensiv auch auf der inneren Ebene seiner Figuren und versteht es meisterhaft, damit diesen Figuren Leben zu geben. Schattierungen, die es schwer machen, einfache Schwarz-Weiß Schemen oder Unterteilungen in vordergründiges Gut und Böse vorzunehmen. Jede der Figuren hat ihre eigenen und, aus ihrer Sicht, durchaus verständlichen Haltungen, die letztendlich nicht überwunden werden können und im Gegeneinander verharren.
Mit einer originären Geschichte, in nicht alltäglicher Form erzählt, gelingt Einar Kárason einerseits ein Blick auf ein fast völlig unbekanntes Stück isländischer Geschichte aus dem späten Mittelalter und eine Darstellung von Figuren und Persönlichkeiten, die zeitlos vor Augen führen, wie Menschen durch Verletzungen, Machthunger, alte Feindschaften maßgeblich bestimmt werden. Ein sprachliches und inhaltliches Leseerlebnis von hoher Qualität.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2011-02-28)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.