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Ryszard Kapuscinski - Afrikanisches Fieber
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Kapuscinski, Ryszard:
Afrikanisches Fieber

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(Bücher frei Haus)

Der Pole Ryszard Kapuscinski war ein Weltbürger par excellence. Nicht einer der vielen vermeintlichen dieser Sorte, die in Bars von Fünfsterne-Hotels abhängen, sich einen Screwdriver nach dem anderen vereinnahmen und hinterher in ihrer heimischen Provinz damit prahlen, welche wilden Abenteuer sie erlebt haben. Ryszard Kapuscinski ging dorthin, wo es weh tat. Er war in Asien, im Mittleren Osten, in Lateinamerika und in Afrika und durchquerte diese Zonen der Erde auf holprigen Pisten, er teilte seine Mahlzeiten auf der Straße und übernachtete auf freiem Feld oder in Wanzenburgen. In über vier Jahrzehnten gewann er dabei ein Auge mit dem Blick für das Wesentliche, den Code des Überlebens. Er blieb dem Genre des Reisereporters Zeit seines Lebens treu, auch wenn es sich um mehr als das handelte. Seine Berichte sind soziologische Studien, Gesellschafts- und Psychoanalysen. Dabei bedient er sich der Sprache des Journalisten von Rang: Subjekt, Prädikat, Objekt, Punkt.

In dem vorliegenden Band mit dem Titel: Afrikanisches Fieber. Erfahrungen aus vierzig Jahren, bekommt die Leserschaft einen Extrakt aus einer quasi lebenslangen Studie über das Wesen und die Lebensbedingungen eines Kontinents, von dem wir viel zu wenig wissen und von dessen Entwicklung weltweit mehr abhängt, als so mancher Eurozentrist glauben machen möchte. In insgesamt 29 Reportagen berichtet Kapuscinski, was ihm dort im Laufe der Jahrzehnte widerfuhr. Und jede dieser Reportagen fasziniert und erschreckt zugleich. Ihm gelingt es, Mysterien zu sichten und zu entschlüsseln und er scheut sich nicht, die Abgründe und das Bestialische zu benennen.

Von Ghana bis Sansibar, von Ruanda bis Eritrea, von Somalia bis Nigeria erzählt Kapuszinski von Ländern, die uns bis heute nicht sonderlich vertraut sind, weil sich Berichterstatter aus Furcht um Leben und Gesundheit nicht dorthin wagen, was sehr verständlich ist, wenn man die Ausführungen Kapuszinskis zur Kenntnis nimmt. Da spricht aus jeder Zeile die Gewissheit, dass es sich um die letzte handeln könnte.

Neben der exakten, atemberaubenden Beschreibung der konkret erlebten Erscheinungen fasziniert die Fähigkeit des Autors, die lebensbestimmenden Systeme Afrikas zu dechiffrieren. So klärt er über die Funktionsweise von Klans genauso auf wie über die Rolle der Zeit und ihres Verständnisses. Wir erfahren, warum es in Afrika nie Städte nach unserem Verständnis gegeben hat und wir bekommen eine Idee davon, in welchem Zusammenhang Spiritualität, Religion und Animismus stehen. Kapuszinski entschlüsselt die Rituale und gibt Hinweise auf die Sinnstiftung von Kriminalität und er dokumentiert das operettenhafte von post-kolonialen Regimes.

Ohne in Schwarz-Weiß-Schemen zu verhaften, gelingt es diesem faszinierenden Autor, den Zusammenhang von Kolonialismus und Ausweglosigkeit aufzuzeigen. Zur Quintessenz seiner Beobachtungen gehört die Feststellung, dass Afrika schon immer ein Fegefeuer für die menschliche Existenz war, seit dem Kolonialismus aber, der dort alles ausprobierte, was er im 19. und 20. Jahrhundert an Destruktionspotenzialen im Rest der Welt zur Anwendung brachte, zur Hölle geworden ist, aus der es kein Entrinnen gibt.

Ryszard Kapuscinski wurde mit vielen verglichen, die die Reisereportage groß und bedeutend gemacht haben, mit Chatwin, mit Hemingway, mit Kisch und vielen anderen. Die Vergleiche sind nicht zulässig. Kapuszinski ist mehr als sie alle zusammen, weil er die Lebensbedingungen derer, über die er berichtete in einer Weise teilte, die ebenso einzigartig ist wie die daraus entspringenden Erkenntnisse.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2012-01-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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