Der tschechische Weltraumfahrer Jakub Procházka, Spross einer Kollaborateursfamilie und Professor für Astrophysik bekommt die Mission, die Chopra-Wolke im Weltall zu untersu chen, denn es besteht die realistische Gefahr, dass diese Wolke die Nächte auf der Erde in ein violettes Zodiakallicht getaucht und den Himmel verändert. Mit seiner Frau Lenka, die er im Weltall besonders vermisst, darf er via wöchentlicher Videochats eine „Erde-Weltraum-Ehe“ führen. Aber bald frägt er sich, ob es das Weltall wirklich wert ist, seine Ehe dafür zu riskieren und Lenka dafür zurückzulassen. Trost spendet ihm in seinen dunkelsten Stunden – und die sind im Weltall bekanntlich ganz dunkel – seine Lieblingskinderbuch: Robinson Crusoe, auch ein einsamer Mann auf einer Insel, ganz wie er, Jakub.
“JanHus1“ an Erde
In seine Erzählung mischt der bis zu seinem 15. Lebensjahr in Tschechien aufgewachsene amerikanische Romanautor aber auch die Geschichte seines Landes, erzählt viel von dessen Unterdrückung durch ausländische Mächte und auch vom Nationalheld Nummer 1, Jan Hus. Natürlich heißt auch sein Raumschiff nach dem vermeintlichen Häretiker, JanHus1, aber noch viel schwerwiegender wiegt seine eigene Vergangenheit und „Geschichte“, denn wie ihm schon sein Psychiater Dr. Ku?ak vor dem Start ins Weltall prophezeite, brechen alsbald seine unbewältigten Kindheitserlebnisse auf, in denen ein von ihm so getaufter „Schumann“ eine wichtige Rolle spielt. Zunächst kann er sich aus der Einsamkeit aber durch die Erfindung von Husak (ebenfalls benannt nach einem berühmten Tschechen) retten, ein Außerirdischer, der mit ihm auf der Jan Hus lebt und vielleicht doch nur ein Weberknecht ist.
Zum Hl. Gral der Paradoxa
Der Autor findet treffende Ausdrücke für den „Lärm der Worte“ oder den Heiligen Gral der Paradoxa: „Man heiratet, um die Einsamkeit zu bekämpfen und versinkt dann in der ständigen ehelichen Sehnsucht nach Alleinsein.“ So schlecht hat es der kleine Mann im Mond, Jakub also auch wieder nicht getroffen. Zudem tut er ja etwas für sein Land: „Wir sind ein Volk der Könige und Entdecker“, schreibt Kalfa?, „aber das Kind jenseits des Ozeans verwechselt uns noch immer mit Tschetschenien oder reduziert uns auf unseren ausgeprägten Hang zu Bier und Pornographie“. „Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt. Roman.“, das im amerikanischen Original unter dem einfacheren und weniger ironischen Titel „Spaceman of Bohemia“ erschienen ist, tut alles, damit Tschechien für viel mehr als nur Bier und Porno in der Welt bekannt wird: ein großes Buch von einem großen Schriftsteller. Und das obwohl es erst sein Debüt ist. Empfehlenswert und sehr unterhaltsam.
Jaroslav Kalfa? geboren und aufgewachsen in Prag, migrierte mit fünfzehn Jahren in die USA. Er studierte Literatur, Politik und europäische Geschichte.
Jaroslav Kalfa?
Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt. Roman.
(Orig.: Spaceman of Bohemia)
Aus dem Amerikanischen von Barbara Heller
Klett-Cotta/Tropen, 1. Druckaufl. 2017, 367 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-50377-7
22,00 EUR
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2018-01-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.