Wer Beethoven hört, wird sich zwangsläufig auch mit den wichtigsten Themen im Leben eines Menschen auseinandersetzen müssen, so tragisch, dramatisch und eindringlich ist sein Werk, dass es unweigerlich zur Selbstbetrachtung aufruft und die selbstgefällige Nabelschau in einen Abgrund führt aus der die Musik aber gleichzeitig auch wieder herausführt. Denn die Emanation erfolgt ja durch die Kunst und nur durch die Kunst, deswegen ist gerade das Werk Beethovens so wertvoll und unvergesslich. Christian Thielemann hat im Goldenen Wiener Musikvereinssaal alle neun Sinfonien Beethovens mit den Wiener Philharmonikern neu aufgenommen. Nicht nur alle Komplettsinfonien, sondern auch ein jeweils einstündiges Gespräch zwischen Joachim Kaiser und Christian Thielemann befindet sich auf dieser exklusiven DVD-Sammlung der Edition des Versandhandels Zweitausendeins und so erfreut man sich nicht nur erhebender Klänge in edler Atmosphäre, sondern durchaus auch der aufschlussreichen Kommentare der beiden Musikliebhaber.
Erneuerung der Romantik
„Es gibt natürliche Regungen gegenüber einer melodischen Phrase, deren Auswirkungen Komponisten nie und nimmer in die Noten geschrieben hätten“, so eine österreichische Tageszeitung über die Neuherausgabe der Werke Beethovens in der revolutionären Tradition der quasi avantgardistischen Auslegung durch Thielemann, Barenboim und Janson, die sich allesamt auf die unerreichte Expressivität eines Wilhelm Furtwängler beziehen und rückbesinnen. Denn Beethoven soll nicht den entromantisierten Tempiwechslern überlassen werden. Joachim Kaiser, der ja als Doyen der deutschsprachigen Musikkritik gilt, führt am Ende jeder Symphonie ein Gespräch mit Thielemann über seine Interpretation Beethovens, aber auch über die Lebensumstände des taub verstorbenen Komponisten und die entstehungsgeschichtlichen Hintergründe seiner Werke. Thielemann wiederum bezieht sich durchaus auch auf Bernstein, Karajan, Furtwängler oder aktuelle Stars wie Paavo Järvi und zeigt wie vielfältig die Lesart des Werkes Beethovens sein kann.
Beethoven, der mutige Erneuerer
Als „reif fürs Irrenhaus“ hatte ihn Carl Maria von Weber nach Hören seiner Siebten bezeichnet, denn fürwahr, gehört dieses Werk von Beethoven zu den größten Kompositionen der klassischen Musikgeschichte. Geradezu als „Trauermarsch“ könnte man das „allegretto“ – die wohl bekannteste Partitur dieser Symphonie bezeichnen – so gewaltig ist sein vorwärtsdrängendes, rhythmisches Grundschema, das unglaubliche Energien lostritt, deren Eruptionen kaum zu ertragen sind, so fühlt man ich erhöht und gewachsen, durch die Klänge dieser einzigartigen Musik. Auch wenn sich Beethoven selbst durchaus aus dem Geiste Mozarts und Haydns schöpfendend Komponisten sah, gilt er doch als Wegbereiter für Tschaikowsky, Brahms, Mahler. „Beethovens Größe war“, meint Joachim Kaiser, „Er wollte niemals die Form zertrümmern. Zum Form zertrümmern gehört Unmut. Er wollte die Form erweitern. Dazu gehört Mut. Und den hatte er!“
Zweitausendeins
Beethovens Sinfonien
Eine Entdeckungsreise mit Joachim Kaiser und Christian Thielemann
952 Minuten auf 9 DVDs
Deutsch/Englisch/Französisch
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-12-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.