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Baldwin James - Kein Name bleibt ihm weit und breit
Buchinformation

"Aber die Party des Westens ist vorbei, und die Sonne der Weißen ist untergegangen. Basta." Autobiographisches Essay nennt sich diese Literaturkategorie mit der uns der Tausendsassa Baldwin, der schon Theaterstücke, Romane, Kurzgeschichten u.v.a.m. uns diesmal überrascht. Neun Jahre später (1971) blickt er zurück auf die Höhepunkte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, wie er sie erlebte. Aber auch Hollywood, Paris und der amerikanische Süden spielen eine zentrale Rolle in diesem aufsehenerregenden Blick zurück im Zorn, doch voller Zärtlichkeit.

Blick zurück im Zorn

Zum 100. Geburtstag des Autors erscheinen viele Werke des amerikanischen Autors bei dtv in Neuauflage, gebunden und kommentiert. In "Kein Name bleibt ihm weit und breit" spricht er über seine Freundschaft zu Martin Luther King und Malcolm X noch bevor beide ermordet wurden. "Seit Martins Tod in Memphis und dem ungeheuerlichen Tag in Atlanta hat sich etwas in mir verändert, etwas ist verloren gegangen." Den Anzug den er beim Begräbnis von MLK trägt schenkt er einem Freund, aber er muss ihn selbst hinbringen - in einem Cadillac. Baldwin stellt sich selbst die Frage wie sehr er sich von seiner eigenen Herkunft entfremdet hat und diese verriet, denn längst gehört auch er zum Establishment. Als er kurzerhand nach Frankreich abhaut und dort neun Jahre bleibt, zieht er Parallelen zwischen dem algerischen Befreiungskampf und dem der Schwarzen in den USA. Denn auch die Algerier wurden als sie noch bei Frankreich waren ähnlich behandelt wie seine Brüder und Schwestern in der alten Heimat. Die Algerier konnten wenigstens nach Hause, aber sie selbst waren zu Hause und ertrugen jeden Tag die Schikanen der Segregation und des Rassismus aufs Neue. Baldwin verdammt aber auch die Außenpolitik der USA und ihre Containment-Strategie zur Eindämmung des Kommunismus. Denn die sog. "freie Welt", die hier verteidigt wird, ist nicht frei. Wofür haben die schwarzen Soldaten im Zweiten Weltkrieg eigentlich gekämpft, ist eine Frage, die im Keim schon die Bürgerrechtsbewegung der Sechziger vorwegnahm. Mit Rosa Parks in Montgomery, 1955, begann der Widerstand, der bis heute andauert.

Voller Zärtlichkeit für die wahren Rebellen

Denn noch immer werden Schwarze aufgrund ihrer Hautfarbe von Polizisten auf offener Straße erschossen oder anders drangsaliert. Das änderte sich auch durch einen schwarzen Präsidenten nicht, von dem Baldwin noch nichts wissen konnte. "Über allem hängt der Pesthauch von Begierde, Sehnsucht, Zorn.", schreibt er als er erstmals den Süden (der USA) bereist, "Mir schien jede Südstaatenstadt wie jüngst den Sümpfen entrissen, die geduldig darauf warteten, sie sich zurückzuholen". Als er ein Lokal von vorne betritt, wird er höflich zum Hintereingang gewiesen. Denn dort sollten die Schwarzen eintreten und in einer Kammer unter sich bleiben. Dasselbe Lokal, dieselbe Küche, aber streng getrennt nach Farbenzugehörigkeit. Und dasselbe Land verteidigte gleichzeitig die sog. Freiheit in der Welt, spottet Baldwin voller Zorn. Aber seine Aufgabe sei es einen Bericht zu liefern und nicht selbst zur Nachricht zu werden, beschränkt er sich selbst und weist sich in die Schranken. In London entdeckt er eine Höflichkeit, die so kurz angebunden ist wie "eine hochgezogene Zugbrücke und so beunruhigend wie der tiefe Graben darunter". Marlon Brando nickte ihm beim Begräbnis von MLK zu, wie Baldwin erzählt, war er ein Sympathisant der Anliegen der Black Panther for Self-Defence, die eigentlich nur eine Gesundheitsversorgung, Wohnungen und Essen für ihre Gemeinschaft wollten, aber einen Sturm ernteten. Zwischen Malcolm und Martin waren die Black Panther die militanteste Hoffnung auf eine Veränderung der Verhältnisse. Denn die Antwort auf den Marsch auf Washington vom 28.8.1963 folgte auf den Fuß: auf eine Sonntagsschule in Birimingham war ein Bombenanschlag (!) verübt worden. Der Marsch der 250.000, der friedlich und gewaltfrei verlaufen war bekam eine bittere Antwort.

"Land, Brot, Wohnung, Bildung, Kleidung, Gerechtigkeit und Frieden" waren alles was die Black Panther forderten, schreibt Baldwin, doch sie wurden zu den einheimischen Vietcong erklärt und ebenso behandelt. Baldwin erzählt von ihren Anführern, von den Blumenkindern der Haight und dem gesellschaftlichen Klima der Sechziger. "Wahre Rebellen sind schließlich so rar wie wahre Liebende", resümiert er, "und Schwärmerei mit Leidenschaft zu verwechseln, kann in beiden Fällen ein Leben zerstören."

James Baldwin, Miriam Mandelkow
Kein Name bleibt ihm weit und breit
Übersetzung: Übersetzt von Miriam Mandelkow
2024, 1. Auflage, 272 Seiten, neue Werkausstattung mit einem Vorwort von Ijoma Mangold
ISBN : 978-3-423-28400-4
dtv
EUR 22,00 [DE] – EUR 22,70 [AT]

[*] Diese Rezension schrieb: Jurgen Weber (2024-07-29)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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