Der Kampf Gut gegen Böse wird in vorliegendem Comic auf eine ganz raffinierte Art und Weise geschlichtet. Diesen Kampf kann man nämlich gar nicht gewinnen, man kann nur die Impersonifikation des Bösen, in diesem Falle Fedath, den Herrn der Finsternis, töten, denn das Böse tragen wir alle in uns, wie auch der Zauberer Bran, einer der 12 Ravenfelds, leidvoll erkennen muss, wo er doch gerade daraus seine ganze Stärke zieht.
Die Welt von Dyfed ist vom Untergang bedroht, weil Fedath, der Herr der Finsternis, mit einem Heer gegen die friedlichen Territorien in den Krieg zieht. Er will vor allem den Krieg und die Vernichtung, aber auch das Schwert Talandar, das einzig imstande ist, ihn zu besiegen. Doch dieses Schwert ist in den Händen Cathaars, einem der Wächter der Insel, die „Engelsburg“, und solange er das Schwert hat, kann er auch die grausigsten Kreaturen in die Schranken weisen, sogar einen Storn. Viel schlimmer noch ist jedoch der Kampf gegen einen seiner Brüder, Fakel, der zum Verräter wurde und ihn zu vergiften suchte. Der Zauberer Bran hat vor allem einen Kampf gegen sich selbst zu bestehen, erst muss er gegen seinen Doppelgänger, sein alter ego, kämpfen und dann auch noch gegen seine ehemalige Geliebte, Enorea, die Fedath in ein überdimensionales Spinnenmonster verwandelt hat, um Bran, seinen größten Gegner, zu verunsichern. Doch Bran vergibt ihr, und wird nicht nur dadurch zum Religion
sstifter einer neuen Religion der Vergebung, die die Welt noch verändern wird.
Menschen, Elfen und Zwerge schließen sich zusammen und kämpfen gegen die grausamste Armee, die die Welt je gesehen hat und am Ende kommt es natürlich zum schrecklichen Zweikampf und nur ein Dichter kann erraten, wer dabei wohl siegen könnte. Mit Hilfe eines
alten Zauberspruchs könnte es Bran eventuell gelingen, die Welt zu retten, doch das ist so ungewiss, wie Morgensonne in diesem düsteren Comic, das natürlich so manchen Leser an den Herrn der Ringe erinnern wird.
Aber das Artwork ist schön, breitet sich teilweise über zwei aufgeschlagene Seiten aus und gibt tiefe Einblicke in die Welt der Zwerge und Zauberer, Feen und Elfen und Menschen. „Auch ich wünschte mir in deinem Alter, dass alles viel schneller ginge. Aber die Natur hat ihr eigenes Tempo. Pass dich ihm an und du wirst schneller. Das wird dich die Erfahrung lehren.“ Viel Weisheit steckt in diesem Comic, das so manchen Mystiker befriedigen wird, wenn er sich diese Warnung hinter seinen lang gezogenen Elfenohren schreibt. Meister Illiann meint es gut mit seinem Schützling, auch wenn sie nur kämpfen will und seiner Philosophie nur wenig abgewinnen kann. Die Zwerge können ohnehin jede noch so schwache Unterstützung gebrauchen, denn der Himmel ist grau und es braut sich am Horizont ein düsteres Pack zusammen, das sich versammelt hat, die Menschheit mitsamt ihren Zwergen und Elfen zu vernichten. „Bis der Wind durch Walhallas weiten streift, bis er die Schreie der Sterbenden und den P
reis des Blutes fordert! Krieger für immer! Wächter auf ewig! Wir sehen dem Tod ins Auge, er macht uns keine Angst! Unsere Feinde sollen dies wissen…heute ist ein guter Tag zum Sterben!“ Der Anführer der Zwerge spricht so mutig wie ein Indianerhäuptling, hookahey, und an die Front gegen den Ansturm des Bösen, das dann in Gestalt der Thetii, einer schönen Frau mit großen Bullenhörnern erscheint.
Am Ende wird Bran, der weißhaarige und weiße Zauberer, der letzte seines Geschlechts sogar zu einem Gott, denn er hat das Böse in sich besiegt. Wenn Gott zu einem Menschen wurde, bedeute das auch, dass der Mensch zu einem Gott werden könne. Aber nur wenn er das Licht sucht und die Wahrheit und die Vergebung. „Unser Schicksal steht nicht geschrieben im Buch der Götter! Wir schmieden unser Schicksal selbst! Unsere Feinde sind Diener eines schwarzen Elfen!Und wir dienen gar keinem Herrn! Wir sind Freie! Unser Kampf gilt dem Licht! Aus dem Licht entsteht Leben! Das Licht erleuchtet unsere Herzen! Für das Licht werden wir siegen! Im Namen des Lichts!“ Ob so vieler motivierender Kampfansagen, sollte man sich vielleicht überlegen, Comics dieser Art für Management-Seminare zu verwenden. Natürlich ist auch die leicht angedeutete Version eines Kampfes Okzident gegen Orient angedeutet, das zeigen zum Beispiel auch die Kleidungsstücke der Gegner sowie der Riten und Behausungen. Aber es i
st auch die Geschichte von Verrat und Bedrohung und natürlich über eine der schönsten und vielleicht dümmsten Eigenschaften des Menschen: der Vergebung. Als die böse Zauberin Tiyi besiegt ist, wird sie von ihrem besiegten Volk nicht getötet, sondern an den Schultern gestreichelt unter der Allmacht dieser Liebe, bricht sie zusammen und wird zum Guten bekehrt. Hoffentlich muss man nicht erst so böse werden wie Tiyi, damit man endlich die Liebe bekommt, die man verdient…
Jean-Luc Istin, Zeichner: Dim.D
Der Herr der Finsternis
Originaltitel: Le Seigneur d'Ombre
ALL IN ONE
Einzelband