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Agnes Husslein-Arco - Alfons Mucha
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Husslein-Arco, Agnes:
Alfons Mucha

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(Bücher frei Haus)

Sein Stil könnte einer ganzen Epoche seinen Namen, so charakteristisch ist das Oeuvre dieses Jahrhundertwendekünstlers für seine Zeit. Die insgesamt über 200 Zeichnungen, Drucke, Möbelstücke, Schmuckentwürfe, Gemälde und Plakate, die hier zu sehen sind zeigen die Schaffenskraft eines Exponenten des „slawischen Epos“, das in vorliegendem Katalogbuch geradezu „rauschende Feste feiert“. Der Künstler wird in seiner gesamten Bandbreite gezeigt und als wirklich vielseitiger Repräsentant des sog. Jugendstils. Zahlreiche Abbildungen großformatiger Gemälde, Pastelle, Aquarellserien, Zeichnungen und Fotografien, insgesamt 214 Farbtafeln, 80 farbige Abbildungen und 81 in schwarz-weiß auf 356 Seiten im Format 24x32 mit Schutzumschlag erwarten den Leser in dieser prächtig gestalteten Werkschau des 1860 in Invancice (Südmähren) geborenen Allround-Talents.

Das „slawische Epos“ war eigentlich ein Werkzyklus, der für die Weltausstellung 1900 in Paris geschaffen worden war. Mucha wollte eigentlich einen eigenen Beitrag, den „Pavillon de l`Homme“, dafür verwirklichen, scheiterte jedoch kurzfristig aber es gelang ihm zumindest die 250 Quadratmeter des Pavillons für Bosnien-Herzegowina fertig zu stellen. Die seit 1878 von Österreich-Ungarn besetzte ehemalige türkische Provinz erhielt durch Mucha eine noch nie da gewesene Repräsentation, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Diese Wandmalereien sind nicht nur im Katalog reproduziert, sondern natürlich auch auf der Ausstellung zu bewundern.

Alfons Mucha wirkte aber nicht nur in Wien und Paris, sondern auch in den Vereinigten Staaten. Trotz seines internationalen Erfolges entschloss er sich jedoch bald, wieder in seine Heimat zurückzukehren und gestaltete dort u. a. den Primatorensaal im Prager Repräsentantenhaus „Obecni Dum“. Der hierfür geschaffene Zyklus, ein eigenes Slawisches Epos soll übrigens bald wieder in seiner ganzen Monumentalität nach Prag zurückgeholt werden. Derzeit steht es nämlich noch in einem Schloss in Moravsky Krumlov, einige andere Teile wurden auch für die vorliegende Ausstellung zusammengetragen, wofür nicht nur dem Belvedere und dem Musee Fabre, sondern auch der Kunsthalle München zu danken wäre.

Der Einleitungsartikel stammt aus der Feder von Jean Louis Gaillemin, der sich sogleich Muchas eigenwilligem Stil widmet. Der ehemalige Brünner Chorknabe Alfons Mucha habe – so Gaillemin – eine ausgezeichnete musikalische Bildung besessen und auf seinen Vorträgen in den USA nicht zuletzt darauf hingewiesen, dass „die äußere Form eine Sprache ist, welche die Sinne auf die gleiche Weise anspricht, wie die Musik“. Die Aufgabe des Künstlers sei es, Gefühle zu vermitteln, und zwar mit Hilfe visueller Zeichen, die mächtig genug seien, eine Dehnung oder Kontraktion aller Muskeln zu bewirken, so Gaillemin über Muchas Ziel. Roger Diederen widmet sich danach Alfons Muchas Münchner Jahren, wo er sich vor Paris einige Zeit aufhielt, erst dort seien aber seine Qualitäten zur vollen Blüte gekommen, wie Diederen abschließend bemerkt. Auch die Hypnose spielte bei Mucha eine gewisse Rolle, wie Arnauld Pierre gewissermaßen aufdeckt. Tatsächlich haben sich einige okkulte Szenen in Muchas Pariser Atelier abgespielt, u. a. die Hypnose einer gewissen Lina de Ferkel (sic!), ein professionelles Modell aus dem Atelier des akademischen Malers Georges Rochegrosse. Über den Effekt der Hypnose durch Poesie und Musik auf Lina soll der Maler gesagt haben: „Unter dem Einfluss des hypnotischen Fluidums wird alles, was ihre Persönlichkeit ausmacht, ausgelöscht; sie ist ein bewundernswert empfindlicher Automat, dessen Muskeln sich allesamt unter dem Einfluss der Gefühle bewegen werden, die man in ihr erweckt, mit einer außerordentlichen Intensität, weil es nichts Störendes gibt.“

Olivier Gabet richtet dann seine Aufmerksamkeit auf den Kunstgegenstand bei Mucha, auch die fotografische Inszenierung spielt eine gewisse Rolle bei Mucha, wie Dominique de Font-Reaulx klar darlegt und betont, dass Mucha den Augenblick neu erfunden habe, da er die Fotos nicht als Vorlagen für Bilder machte, sondern als art pour l`art. Genaueres zum „Slawischen Epos“ erfährt der geneigte Leser dann noch von Lenk Bydzovska und Karel Srp. Sie skizzieren Alfons Mucha als politischen Menschen, als Kosmopoliten, der „das Schicksal der Slawen während der österreichisch-ungarischen Monarchie als einseitige Unterdrückung ansah“. Das „Slawische Epos“ war für ihn „Dienst am Volke“, geradezu patriotische Pflicht, auch wenn er dabei von einem amerikanischen Mäzen, Charles Richard Crane, finanziell unterstützt wurde. Dies sah er keinesfalls als Widerspruch an, wie er in einem Artikel in der Zeitschrift „Dilo“ klarmachte: „unsere Kreise in der slawischen Welt amerikanisieren, ihnen die Möglichkeit geben, sich jene praktischen Elemente anzueignen (…). Charakter, Fleiß, Energie, Ehrlichkeit, Unternehmungslust, Ausdauer und bürgerliche Freiheit. Gleichzeitig aber zu helfen, die Amerikaner zu slawifizieren (…).“ Mit Wilsons 14-Punkte-Programm über die Selbständigkeit der Völker bekam die Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg, 1918, ihren eigenen Staat, der immerhin bis 1939 als einzige mitteleuropäische Demokratie in einem vom Faschismus usurpierten Europa existierte. Sicherlich hatten dazu auch Muchas spezifisch slawische Werte und sein „Slawisches Epos“ einiges dazu beigetragen, die tschechoslowakische Identität als Bollwerk gegen das Deutsche oder Russische Reich, die Sowjetunion, einzusetzen.


Die in Wien bereits gezeigte Ausstellung ist noch vom 20.6. bis 20.9. in Monpellier im Musee Fabre zu sehen (www.museefabre.com) und im Herbst noch in München in der Kunsthalle der Hypo Kulturstifung (www.hypo-kunsthalle.de).

Agnes Husslein-Arco/Jean Louis Gaillemin/Michel Hilaire/Christian Lange (Hrsg.)
Alfons Mucha
Katalogbuch zur Ausstellung

2009
Hirmer Verlag München
www.hirmerverlag.de
356 Seiten 214 Farbtafeln, 80 farbige Abbildungen und 81 in schwarz-weiß
24x32 mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-7774-7035-1
45,00.-€

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-07-18)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


->  Stichwörter: Italien · Kunst

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