„Alles was glüht, ist zum Verglühen verurteilt“, heißt es nicht umsonst in der Oper „Tristan & Isolde“ von Richard Wagner. In Wagners „Meistersingern“ werde dem hingegen entsagt, schreibt der slowenische Philosoph Slavoj Zizek, vielmehr solle man die Erlösung in einer Art schöpferischen Sublimierung überwinden und „in einer Stimmung weiser Resignation zum `täglichen´ Leben symbolischer Verpflichtungen zurückkehren“. In Parsifal laute die Erfolg versprechende Gleichung zur Erlösung dann: „Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug“. Es bleibe jedoch eine „Kluft“: wenn sich die Liebenden in „Tristan und Isolde“ auf die Wirkung des Zaubertranks verlassen, um sich endlich ihre Liebe gestehen zu dürfen, dann wird der symbolische Wert des „elisir d`amore“, des Liebeselexiers, das eigentlich nur aus schnödem Wein besteht, auf eine gute Ausrede reduziert. Sie könnten sich ihre Liebe nur gestehen, weil sie zwischen zwei Toden schweben: die magische Wirkung des Zaubertranks ist nichts anderes als die Suspendierung des „großen Anderen“, der gesellschaftlichen Moral, der Ehre und Eidesschwüre, nicht zuletzt der versprochenen Ehe mit wem anderen. Die Trennlinie – nämlich die an wen anderen versprochene Ehe - die Wagners Isolde anfangs zieht - ist jene Schranke, die die Fiktion einer möglichen intakten Beziehung aufrechterhält. Die bestehende Barriere, das Hindernis, sorgt dafür, die Illusion der Möglichkeit einer Beziehung überhaupt erst aufrecht zu erhalten. Dadurch – durch das Bestehen dieser „künstlichen“, gesellschaftlichen Schranke – bleibt uns die Delusion des Nicht-Zueinander-Passens bis auf Weiteres erspart. Auf diese Weise – durch das Hindernis – bleibt aufrecht, was ansonsten längst getrennt wäre. „In der Weigerung die eigene Sehnsucht zu gefährden, geht man bis zum Ende und nimmt bereitwillig den Tod an“, schreibt Zizek. Was uns trennt, verbindet uns gleichzeitig. Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug oder: das Wunder der Liebe. Richard Wagner hätte sich über Zizek Zumutungen bestimmt gefreut, litt er doch selbst mehr als genug unter diesem „Wunder“.
Detmar Huchtings Hommage an Richard Wagner fällt weitaus weniger kompliziert aus. Das biographische Kaleidoskop hält sich an die Fakten des Lebens und illustriert diese nicht nur mit zeitgenössischen Illustrationen, sondern auch Fotos aus jener Zeit. Aber auch jene Fakten sind nicht immer ganz eindeutig. „Ein Geyer ist beinahe schon ein Adler“ soll Friedrich Nietzsche in Anspielung auf Richard Wagners ungeklärte Herkunft süffisant bemerkt haben, zudem er dem Trugschluss aufsaß, dieser, der Antisemit Wagner, sei selbst jüdischer Herkunft gewesen. „Pater semper incertus“ heißt ein anderes Sprichwort, das Huchting hier anbringt: über die Vaterschaft nur Vermutungen. Und selbst von der Mutter weiß man nichts Genaueres als den Nachnamen Perthes oder Petz zu berichten. Evt. sei sie aber ein illegitimes Fürstenkind gewesen und Wagner folglich blaublütig? Der Fürst Constantin von Weißenfels sei ohnedies kein „Kostverächter“ gewesen, wie Huchting schreibt, und habe gleich mehrere uneheliche Kinder in die Welt gesetzt. Wagner gibt seinen Biographen Rätsel auf, was natürlich das Feld für Spekulationen weit öffnet.
Ganz nach dem Motto Lohengrins, einer Oper Wagners, „nie sollst Du mich befragen“, sollte man also auch über die Herkunft Wagners besser schweigen, denn was zählt ist ohnehin vielmehr sein Werk. Ich denke dabei an „Mild und leise wie er lächelt“ auf CD 2, in der Isoldes Liebestod von Hanne-Lohre Kuhse interpretiert wird und die Dresdner Philharmonie unter Kurt Masur sie begleitet. Neben „Tristan und Isolde“ finden sich aber auch Ausschnitte von den „Meistersingern“, „Parsifal“, „Der Ring des Nibelungen“ oder „Rienzi“, „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ auf den beigelegten, insgesamt vier, CDs. Zudem sind die Cover der CDs selbst liebevoll gestaltet und natürlich auch die Ausstattung des Buches von höchster Qualität. Selbst ein Foto von Richard Wagners Todeshaus, dem Palazzo Vendramin-Calergi am Canal Grande in Venedig, wo er am 13. Februar 1883 starb, fehlt nicht. Noch heute kann man auf einer Tafel an der Mauer des jetzigen Casinòs lesen: Hier starb Richard Wagner, Komponist. Die Uraufführung seines Parsifals 1882, die er in jenen Gemäuern geschrieben haben soll, konnte er noch erleben, in „seinem“ Opernhaus in Bayreuth. Der Totenzug führte seine sterblichen Überreste wiederum nach Bayreuth zurück, wo sich seither hinter der Villa Wahnfried sein Grab und das seiner Frau Cosima befindet. Die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug.
Detmar Huchting (Hg)
Richard Wagner
Ein biographisches Kaleidoskop