Ein schönes und weises, überaus warmherzig geschriebenes Buch ist hier in aller Kürze vorzustellen. Ein Roman über alte Menschen, das was von ihren Träumen übrig geblieben ist und somit ein Buch über die Zukunft jedes einzelnen wohl jüngeren Lesers.
Alle Hauptpersonen in diesem sprachlich sehr einfühlsam daherkommenden Roman sind zum Zeitpunkt der Handlung 83 Jahre alt. Da ist Etta, die, als sie ihre beginnende Demenz realisiert, sozusagen gegen das endgültige Vergessen eine Wanderung beginnt. Ein Leben lang hat sie davon geträumt, das Meer zu sehen. Doch statt dieses auf schnellstem Wege zu erreichen, wählt sie mühsame und viel längere Umwege. Ihr Ehemann Otto, den sie zu Hause zurücklässt, versteht das und nutzt diese Entscheidung seiner Frau, seinerseits auf seine alten Tage selbständig zu werden. Er lernt kochen und backen, indem er die von Etta gepflegten Rezeptkarten benutzt.
Russell indes, auch 83 Jahre alt und seit ewigen Zeiten der Nachbar der beiden, bleibt nach der Abreise von Etta nicht so ruhig wie Otto. Schon immer die Nummer zwei im Rennen um Ettas Liebe, bricht er auf, um sie zu finden. Doch stets respektiert er ihren Wunsch nach Distanz.
Den hat sie gegenüber James allerdings nicht. Ihn hat sie auf ihrer Wanderung getroffen, und wird nun von ihm auf dem Weg zum Meer begleitet. Emma Hooper beschreibt in Rückblenden, wie Ettas letzte Reise nicht nur bei ihr selbst, sondern auch bei Otto und Russell eine Vielzahl von Erinnerungen wachruft. Eine ganz besondere Dreiecksgeschichte kommt da zum Vorschein, eine Geschichte von Respekt und Freundschaft. Natürlich geht es in diesem außergewöhnlichen Roman auch um die Demenz, die Etta erst aufbrechen lässt, aber in den Rückblenden auch um Krieg und Frieden.
Das Buch liest sich wie ein modernes Märchen und faszinierte mich bis zur letzten Seite.
Emma Hooper, Etta und Otto und Russell und James, Droemer 2016, ISBN 978-3-426-35546-1
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-11-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.