Anne Holt hat sich entschlossen ihren sagenumwobene Ermittlerin Hanne Wilhelmsen zu reaktivieren. Seit ihrem letzten Einsatz vor vielen Jahren sitzt sie in einem Rollstuhl und lebt mit ihrer Ehefrau du n dem gemeinsamen Kind zusammen. Eigentlich wollte sie mit der Polizeiarbeit nichts mehr zu tun haben, und all die Leser und vielleicht auch Anne Holt selbst gingen davon aus, dass sie nicht mehr in ihren Büchern auftauchen würde.
Anne Holt hat die Geschichte geschickt konstruiert. Hanne Wilhelmsen ist von der Dezernatsleitung beauftragt, sogenannte „kalte Fälle“ nachzuermitteln, Kriminalfälle also, die seit vielen Jahren unabgeschlossen in den Akten schlummern. Ein junger Kollege namens Henrik Holme, den die Polizeidirektorin Silje Sörensen sehr schätzt, wegen einer undeutlich bleibenden Behinderung aber nicht in offiziellen Ermittlungen einsetzen will, wird ihr zur Seite gestellt und entwickelt sich im Laufe des Buches in der zunächst schwierigen Zusammenarbeit mit der eigenwilligen Hanne Wilhelmsen, die die Welt nur noch aus dem Internet erlebt und interpretiert, zu einem solch Polizisten, dass man mit Fug und Recht davon ausgehen kann, dass Anne Holt hier den Grundstein für ein neues Team und das dauerhafte Comeback von Hanne Wilhelmsen gelegt hat.
Der Roman beginnt mit einer Rahmenhandlung, in der eine Brieftaube eine Rolle spielt. Zunächst völlig unverständlich, wird diese Taube und die Familie, die sich pflegt, im Laufe des Buches noch eine zentrale Rolle einnehmen. Zentral ist auch das Wiederauftauchen von Billy T., eine ehemaligen Kollegen von Hanne Wilhelmsen, der damals auch aus dem Dienst ausschied und von dem man dachte, er kehrt nie wieder zurück. Er steht eines Tages bei Hanne Wilhelmsen vor der Tür und will mit ihr über seinen Sohn sprechen, den er im Verdacht hat, in die Islamistenszene hinein geraten zu sein.
Noch bevor er Hanne besucht, gibt es ganz in der Nähe von Hannes Wohnung einen schrecklichen Anschlag, der 29 Menschen das Leben kostet.
Die sich hauptsächlich auf das Internet stützenden Ermittlungen in einem alten kalten Fall und die hektischen und zunächst erfolglosen Ermittlungen zu dem Anschlag werden nun im Laufe des Buches von Anne Holt geschickt miteinander verwoben, wobei insbesondere Henrik Holme sein außerordentliches Talent, seinen Mut und seine Intuition unter Beweis stellt. Hanne Wilhelmsen ist von diesem jungen Mann, der in vielem so denken kann wie sie, so angetan, dass sich ihre Zusammenarbeit immer mehr intensiviert und sie zu einer überraschenden Lösung des Falles kommen.
Ein Fall, mit dem Anne Holt nicht nur in Norwegen aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreift und sich so mit einer Stimme der Vernunft einmischt. So wie man es halt von ihr kennt.
Gespannt darf man warten auf den nächsten Band mit Hanne Wilhelmsen und Henrik Holme. Ich bin sicher, dass er kommt, auch wenn ich bislang noch keinen Hinweis darauf im Netz entdeckt habe.
Anne Holt, Ein kalter Fall, Piper 2017, ISBN 978-3-492-05471-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-06-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.