Seit dem 12. Juli 1962 haben sie 1694 Shows (Stand: Frühjahr 2018) gespielt, 400 Songs als Studioaufnahmen veröffentlicht, 313 Songs bei Auftritten gespielt, 30 Studio- und 23 Live-Alben veröffentlicht und sind auch heute noch kein bisschen müde. Die Rede ist natürlich von den Rolling Stones, der größten (noch) lebenden Rock`n´Roll Band des Planeten. Nach 56 Jahren Bandgeschichte wurde es Zeit, das erste halbe Jahrhundert wieder einmal Revue passieren zu lassen und da eignet sich Ernst Hofackers 100 Seiten Lektüre hervorragend, ein paar Stationen der „ersten 50 Jahre“ nochmals in Erinnerung zu rufen.
Musik vom Bahnsteig
Dass Popmusik zu hören damals, in den beginnenden Sechzigern, noch ein geradezu "subversiver Akt" war, kann nicht oft genug wiederholt werden, wurden Teenager damals doch quasi ihres kulturellen Ausdrucks nicht nur beraubt, sondern sogar vorenthalten. Wütende Extremisten verbrannten sogar Schallplatten, aber was viel schwerer wiegte, war die Tatsache, dass es gar keinen Zugang gab. Jugendliche hatten zu ihrer Kultur gar keinen Zugang, weil ihre Musik weder im Radio noch im Fernsehen gespielt wurde und Schallplatten zu kaufen ein finanzielles Vergnügen war, das sich nur die wenigsten leisten konnten. Mit diesem Szenario beginnt auch die wohl berühmteste Begegnung auf einem Bahnsteig, nämlich jenem vom Dartford, wo der junge Keith Richards beinahe neidisch auf den Schallplatten tragenden Mick Jagger blickte und sie so schnell ins Gespräch kamen. Auf den Schallplatten stand: „Rockin at the Hops“/Chuck Berry und The Best of Buddy Waters. Das nur zur Erinnerung, denn eigentlich gründeten sich die Stones, um den schwarzen Blues auch in ihrer Heimat, England, populär zu machen.
Sündenfälle bei den Stones
Natürlich gelang ihnen dies auch. Und dass sie zum 50-jährigen Bandjubiläum wieder eine Schallplatte (Blue&Lonesome) mit alten Bluesnummern statt eines neuen Hitalbums herausbrachten, gereicht ihnen sicherlich zur Ehre. Man kann das auch durchaus "cool" finden, obwohl die Millionäre längst unsympathisch geworden sind und manche hinter ihren politischen Statements aus den Sechzigern einfach nur kaltes Kalkül vermuten, der ihnen zu Popularität verhalf und ihre Kassen füllte. Hofacker wirft den Stones zwar keinen Ausverkauf vor, bemerkt aber doch spitz, dass sie sich gerne gängigen Trends anpassten, aber manchmal sogar welche mitbegründeten. Auch spricht er von einigen "Sündenfällen", Brian Jones etwa oder Altamont oder Mick Taylor, durch den die Band zwar an Qualität gewann, der aber dennoch ein Leben ohne die Rollenden Steine vorzog und um den sich die anderen Knaben nicht wirklich bemühten, ihn als Mitglied zu erhalten. Auch Ian Stewart wurde dieser Adel nie zuteil, obwohl er zu den wichtigsten Gründungsmitgliedern der Band gehörte, als sie noch in Hinterzimmern R&B übten.
„Stones Mach III“
Hofacker schreibt auch über einige ihrer wichtigsten Alben - bei 30 Chartbreakern gar nicht mal so einfach - und die wichtigsten Auftritte und Krisen der Stones. Schon 1989 (!) mit der Aufnahme in die Rock`n´Roll Hall of Fame seien sie eigentlich pensionsreif gewesen, meint er, „museumsreif“, schreibt er. Aber allein nur die Ticketverkaufszahlen ihrer Jahre später stattfindenden Tournee „Vodoo Lounge“ (320 Millionen Dollar nach 129 Konzerten) zeigt, dass es sich selbst im Altersheim besser mit ein bisschen Kleingeld lebt. Anders wären die vielen Unterhaltszahlungen der zahlreichen Stonessprößlinge und -ehefrauen wohl auch kaum zufrieden zu stellen gewesen. Die zweite Halbzeit ab 1989 wie Richards das damals nannte, wäre jetzt eigentlich auch schon vorbei, deswegen spricht Hofacker wohl auch von „Stones Mach III“. Mal sehen, was da noch alles kommt. „Reptile aus dem Pleistozän, straight outta Dartford“ geben nicht so schnell auf.
Hofacker, Ernst: Rolling Stones. 100 Seiten
Originalausgabe
Broschiert. Format 11,4 x 17 cm
100 S. 5 Abb. und Infografiken
ISBN: 978-3-15-020523-5
Reclam Verlag
10,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2018-07-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.