In einem kleinen heißen und staubigen Kaff in Arizona/USA endet das „erste Leben" des Protagonisten. Wir schreiben das Jahr 1996. Vom Peak Newman funkeln die Masten der Antennen im Morgenglanz. Zwei Hunde sind draußen angekettet. Die Sonne scheint warm, und es ist ein stiller, friedlicher Freitagmorgen. Der Lauf des 7,65mm SKS-Gewehrs zeigt anderthalb Zentimeter neben das Herz. Ein Schuss ertönt. Dann kringelt sich blauer Rauch in den Sonnenstrahlen, Staub flimmert im Raum. Wie es dazu kommen konnte, verrät der Erzähler in den 176 Seiten seines stark autobiographischen Romans „Tot-gelebt".
R.J Hocher beleuchtet ein halbes Jahr seines Lebens, dass ihn von Thailand an die Westküste der USA führte, und von dort nach Picacho/Arizona. Zuerst wirft er die Dollars wie Konfetti aus dem Fenster. Er leistet sich große braune, thailändische Augen mit genügend Tiefe. Seine Unterkünfte sind exklusive, zumindest geschichtsträchtige Hotels. In Phoenix bringt er sein letztes Geld unter die Leute, und dann beschließt er im South Mountain-Park den ersten Suizidversuch. Es will nicht gelingen. Ab hier gewinnt der Roman an Spannung. Es ist ein einfacher, an gesprochene Sprache gelehnter Stil, die Handlung steht fest. Wir wollen nur noch wissen, wie es der Typ anstellt. Er bekommt einen miserablen Job auf einer Baumwollfarm der Huntington Construction Inc., er findet Freunde und Freundinnen. In den örtlichen Bars nennen sie ihn R.J. Er trinkt Wein und Whiskey. Man kriegt fast das Gefühl, als würde alles enden wie es begonnen hat. Und dann verfehlt er sein Ziel um anderthalb Zentimeter. Was ihn dazu trieb und warum er überlebte, schildert Rainer J. Hocher in seinem Debütroman Tot-gelebt.
Hocher kennt die Szenerie über die er schreibt, und oft wird sie als falscher Ton verstanden - Ehrlichkeit ist selten gefragt. Gleichwohl zeigt sein Roman das erschütternde Dokument menschlichen Elends. Nein, er streift es nur. Und doch wird der Leser (die Leserin) nicht von den Blicken verschont. Whiskey oder Wein zum Aperitif ist obligatorisch, das Glück ist das Ziel. Wer bleibt, verpasst den Zeitpunkt zu gehen. Picacho ist ein Ort, an dem man nicht einmal begraben sein möchte, und so beginnt das „zweite Leben" in Phoenix, und der Roman endet in Frankfurt/Main in Germany.
Rainer J. Hocher
Tot-Gelebt
Kontrast Verlag 2000
ISBN: 3935286031
Hartmuth Malorny
[*] Diese Rezension schrieb: Hartmuth Malorny (2005-08-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.