Vier Ehepaare leben Ihre Freundschaft seit vielen Jahren. Alle acht beteiligten Personen stehen in verschiedenere Weise einander nah und auch fern, bilden in der Gruppe Untergruppen, gestalten gemeinsame Urlaube und einen intensiven Austausch auf der kleinen, überschaubaren Insel Nantucket. Unausgesprochener Mittelpunkt der Gruppe sind, je auf ihre Weise, Greg und Tess. Greg, der strahlende, gutaussehende Sunnyboy und Tess, die kindliche, beschützenswerte und dennoch mit innerer Kraft ausgestattet Frau von Greg und Mutter von Zwillingen.
Doch nun wird alles anders. Greg und Tess kehren von einer Segeltour, die an Ihrem Hochzeitstag der Versöhnung und des Neubeginns nach einem tiefgreifenden Streit dienen sollte, nicht mehr lebendig zurück, nur Ihre Leichen werden unter dem gekenterten Boot geborgen.
Seite für Seite nun folgt die Geschichte, Kapitelweise aus der Sicht jeweils eines der noch lebenden sechs Protagonisten, der Geschichte dieser acht Menschen und ihrer Verbindungen und Verwicklungen nach. Bei jeder der handelnden Personen trügt der Schein, ebenfalls finden sich unter der Oberfläche innere Tragödien, querverbindende Affären und durchaus aggressive Haltungen knapp unterhalb des vertrauten und freundschaftlichen Umganges.
Die heimliche Hauptrolle des Buches behalten aber Greg und Tess, wie sie auch im Leben der unausgesprochene Mittelpunkt der Gruppe waren. Was ist passiert auf dem Boot? War es ein einfacher Unfall des zur Selbstüberschätzung neigenden Greg? Gab es Streit mit Tess, die ihm nicht recht glaubt, dass er, entgegen offener Behauptungen und Gerüchte, keine Affäre mit einer seiner Schülerin hatte, was es am Ende gar Mord?
Jede der überlebenden Freunde und Freundinnen betrachtet das Geschehen, die eigene Trauer und das eigene Verhältnis zu den anderen aus ganz eigener Sicht und mit ganz eigenen Zielen. So wie Addison, der Tess in besonderer Weise nahe stand oder Jeffrey, mit Delilah verheiratet und dennoch Andrea, seiner ersten Liebe und nun die Frau des Polizeichefs, nachhängend.
In Erinnerungen und neuen Betrachtungen entblättert sich so Schritt für Schritt eine ungeahnte Tiefendimension in der Gruppe von Freunden und jeder einzelnen Person für sich und hält so die Neugier durchgängig aufrecht bis hin zum wiederum nicht vorhersehbaren Ende des Buches.
Eine Tiefendimension, die Elin Hildebrandt hervorragend zu erzählen vermag. Obwohl letztlich auf den gut 380 Seiten nicht viel an äußeren Ereignissen stattfindet (dennoch genug, um die Geschichte jederzeit nach vorne zu befördern), versteht sie es, jeder einzelnen der handelnden Personen ein ganz eigene, lebendige und realitätsnahe Gestaltung zu geben, aus der heraus wiederum ein ganz eigenes, sich erst langsam entblätternden und durchschaubares Beziehungsgeflecht ergibt.
Elin Hildebrandt kann in ihrer Geschichte gut auf überraschende Effekte und bedrohliche Schilderungen verzichten. Ihre Sprachkraft reicht allemal aus, den inneren Faden des Buches, was genau zwischen Greg und Tess passiert ist, jederzeit vor Augen zu halten und den Leser in den Bann dieser ganz eigenartigen Gruppe von Menschen zu ziehen.
Das Buch ist eine sprachlich hervorragend umgesetzte Betrachtung zwischenmenschlicher Beziehungen mit Nähen und Distanzen, die jederzeit überzeugen und nicht konstruiert wirken. Alles, was geschieht und geschehen ist, ergibt sich folgerichtig und nachvollziehbar aus den kleinen und großen Erlebnissen, Freuden, Verliebtheiten und Dramen im Leben dieser acht Personen miteinander. Wunderbar erzählt und mit hinein ziehend.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-06-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.