Stefan Heym hat die Arbeit an seinem zuerst nur englischsprachigen Roman "Die Architekten" im Jahre 1963 begonnen und 1966 beendet. Eine Veröffentlichung in der DDR konnte wegen des nicht system-konformen Inhalts von vornherein ausgeschlossen werden, aber auch Heyms englischer Verlag Cassell´s lehnte ab, so dass dem Autoren nur eines blieb: "das Manuskript wegzuschließen". Erst kurz vor seinem Tod im Jahre 2001 übertrug er den Roman in die deutsche Sprache. Er konnte nun (2000) endlich als Buch erscheinen. Eine Art letzter schöpferischer Wunsch, bzw. Wille. Heym hatte vor den Übersetzungsarbeiten schon einmal 8 Wochen im Koma gelegen...
Worum geht es nun in diesem Roman? Mittelpunkt des Plots ist der ostdeutsche Stararchitekt Arnold Sundstrom, Ort und Zeit der Handlung: Berlin, 1956. Der große Sowjet-Gott Stalin ist bereits seit bald 3 Jahren tot. "Die Welt ist im Umbruch, unsere eigene Welt; die einzige Kraft, die diese Welt auf Kurs hielt in der Vergangenheit - war er [Stalin]. Das war sein Verdienst, und das wird bleiben. Aber wir haben ihn ins Mausoleum getragen" - es ist eine Zeit der Ungewissheit. Sundstrom steht in Erwartung des Nationalpreises, sein aktuelles Projekt ist die Weiterführung der Straße des Weltfriedens, die man sich am besten als eine Art Stalin-Allee vorstellt. Aber wenn ein Gott stirbt, bleibt nichts, wie es war - und so muss es auch in der Architektur einen Wechsel geben. Die Machtpositionen geraten ins Wanken, aber wer schon ist gewillt, was er sich erkämpft und vielleicht auch erschlichen hat, widerstandslos aufzugeben? Sundstrom ist es nicht, und er wehrt sich gegen das Rütteln an seinem Posten und das Licht, das nun in seine düstere Vergangenheit gebracht werden soll. Von wem? Aus sowjetischer Haft entlassen, kehrt Sundstroms einstiger Kollege Tieck nach Berlin zurück. Er weiss: Sundstrom ist ein Denunziant. Er hat die Eltern seiner jetzigen Frau auf dem Gewissen. Ein Ehedrama entwickelt sich, zu leiden hat: Julian, beider Parteien gemeinsames Kind.
Auch wenn die für die Ewigkeit gedachte Bindung der Sundstroms zerbricht: Arnold rettet sich in die neue Zeit hinüber. Daran kann auch Chrustschows Geheimrede nichts ändern. Im Hinblick auf diese konstatiert John Hiller, zeitweiliger Liebhaber von Sundstroms Ehefrau und Mitglied des Sundstromschen Architekten-Kollektivs, den Zustand der Gesellschaft: "Es ist wie eine Pest, die über uns gekommen ist. Es ist eine Art zu leben und zu arbeiten, die nichts mit Sozialismus oder Demokratie oder sogar der Diktatur des Proletariats zu tun hat. Es schafft Menschen, deren Rückgrat sich verformt hat, weil sie dauernd über die Schulter blicken müssen, und deren Geist gespalten ist, weil sie stets das eine denken und das andere zu sagen gezwungen sind. Es verkrüppelt das Herz und hemmt das Gehirn [...] und macht elende Heuchler aus Menschen wie mir, die einst davon träumten, aufrecht zu gehen und stolz...".
Heyms Schreibstil ist realistisch, nüchtern bis distanziert. Das macht es schwer, sich mit einer seiner Figuren zu identifizieren, aber leicht, die geschilderten Widersprüche mit klaren Augen zu überschauen, anstatt sich ein eigenes Urteil von allzumenschlichen Sympathien trüben zu lassen.
Ein Zitat als Anhang, aus den Gedanken Sundstroms gegriffen: "Ehre und Liebe waren Phantasiewerte; man konnte leicht genug Ersatz für sie finden oder sich panzern gegen ihren Verlust; Macht und gesellschaftliche Stellung waren da etwas ganz anderes; und die Axt, die einem den Boden unter den Füßen weghackte, war gnadenlos."
[*] Diese Rezension schrieb: Arne-Wigand Baganz (2005-09-22)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.