„Wissen Sie“, sagt der exzentrische Brian Sweeney Fitzcarraldo (Klaus Kinski) im gleichnamigen Film an einer der wohl wichtigsten Stellen, „wissen Sie, ich habe einen Traum.“ Fitzcarraldo, der sich nur so nennt, weil sich in Peru niemand seinen eigentlichen Namen, Fitzgerald, merken kann, sitzt an der Seite von keiner Geringeren als Claudia Cardinale vor seinem zukünftigen Mäzen, der ihm seine Extravaganzen finanzieren soll. Doch die wohl sympathischste Figur eines dickbäuchigen Kapitalisten, der sich nie ohne Zigarre und Whisky in die Bildmitte bewegt, schmeißt sein Geld lieber beim Gewinnspiel raus oder verfüttert es den Fischen. Fitzcarraldo muss also andere Finanzquellen finden, doch am Ende ist auch ihm die Anerkennung von seinem Kapitalistenkollegen sicher: auch er hat seinen Unternehmergeist bewiesen und so seinen Traum verwirklicht, dabei hatte er doch eigentlich einen ganz anderen Traum.
Seine Idee ist es nämlich, im unberührten Amazonas-Dschungel ein großes Opernhaus zu bauen und Enrico Caruso zur Premiere singen zu lassen. In einer der stärksten Szenen des Films, gleich am Anfang, wie so oft bei Herzog, hetzt Fitzcarraldo über das Meer im Ruderboot zum Opernhaus von Manaos (sieht aus wie das in Bayreuth und ist auch das von Bayreuth) und zeigt dem Einlasser seine vom Rudern schwieligen Hände. Er will nämlich unbedingt in das Opernhaus, ist 1200 Meilen mit dem Boot angereist, nur Ticket hat er keines. Doch auch ein Sicherheitsbediensteter hat ein Herz und lässt den fremden Weißen mit dem irren Blick doch noch in die Vorstellung, was seinen Wahnsinn nur noch mehr verstärkt. Nachdem er Enrico Caruso live gesehen und gehört hat, will er der Verwirklichung seines Traums sein ganzes Leben widmen, denn Caruso hat ihn direkt angesehen, wie auch seine Freundin Molly (Claudia Cardinale) bereitwilig bestätigt. Für andere wäre es ein Opfer, doch für Fitzcarraldo ist es eher ein Gottesdienst, eine Belohnung, die da noch auf ihn wartet, in einem anderen Leben.
Zu dieser Eingangs-Szene hört man übrigens die Oper „Ernani“ von Giuseppe Verdi, allerdingst nicht mit der Originalstimme von Enrico Caruso, die kommt erst später mit „Popol Vuh“, in der es heißt…“Solingo, errante, misero, /fin da' prim'anni miei,/d'affanni amaro un calice,/tutto ingoiar dovei./Ora che alfine arridere/mi veggo il ciel sereno,/lascia ch'io libi almeno/la tazza dell'amor.“ Und Elvira soll im antworten: Ferma, crudele, estinguere/perché vuoi tu due vite?.../Quale d'Averno demone/ha tali trame ordite?/Presso al sepolcro mediti,/compisci tal vendetta!.../La morte che t'aspetta,/o vecchio, affretterò./Ah, ma che diss'io?...perdonami. L'angoscia in me parlò.“ (http://www.librettidopera.it/ernani/ernani_bnrid.html) Werner Herzog wird diese Oper wohl mit gutem Grund für sein Intro ausgewählt haben, denn es geht darum nicht nur um die Liebe, sondern vor allem um die Ehre. Das romantische Dilemma entscheidet Ernani allerdings für die Ehre, denn was wäre ein Mann ohne Ehre?, und wählt so den Stahl statt dem Gift, um sich selbst zu töten. Seine Braut Elvira weint über seiner Leiche. Doch Fitzcarraldo bekommt am Ende beides: seine Frau und die Ehre.
Vor der Oper wird Champagner an ein Pferd verfüttert, um der Dekadenz der Gesellschaft Ausdruck zu verleihen, in der sich Fitzcarraldo bewegen muss, um seinen Traum zu verwirklichen. Das dürfte wohl für jeden, der das möchte eine Hürde sein, die man einfach nehmen muss. Schließlich kauft er sich aber von den Ersparnissen seiner Freundin, die übrigens Bordell-Besitzerin ist, einen alten Flussdampfer, der ihn über die gefürchteten Teufels-Stromschnellen zu einer Flussmündung trägt. Zuvor muss er aber mit Hilfe von hunderten Indigenas das „weiße Schiff“ über eine unpassierbare Urwaldhöhe transportieren. Sie arbeiten gratis für ihn, weil das Schiff heilig ist für sie und so kann er auf dem Rücken einiger hundert Indios seinen ganz eigenen Traum verwirklichen, den unzugänglichen Kautschuk bergen und so seine Oper im Dschungel finanzieren. Ach ja, und Mick Jagger hätte auch mitspielen sollen, wie Jerry Hall in ihrer eben erst bei Schirmer/Mosel erschienen Autobiografie redselig erzählt. Werner Herzog gewann für sein Meisterwerk an Logistik und Absurdität 1982 die Goldene Palme von Cannes für die Beste Regie.
Werner Herzog
FITZCARRALDO –
ZWEITAUSENDEINS
EDITION DEUTSCHER FILM 1/1981
Drama mit Klaus Kinski, Claudia Cardinale u.a.
R: Werner Herzog.
Spr.: D/E. 151 Min. FSK 12. DD 5.1.
Zweitausendeins Edition. Kg. DVD 7,99 €. Nr. 895081. http://www.zweitausendeins.de/artikel/dvds/film/
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-03-01)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.