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Klaus-Dietmar Henke - Revolution und Vereinigung 1989/90
Buchinformation
Henke, Klaus-Dietmar - Revolution und Vereinigung 1989/90 bestellen
Henke, Klaus-Dietmar:
Revolution und
Vereinigung 1989/90

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(Bücher frei Haus)

Als Erich Honecker im Januar 1989 in einer Rede verkündete: "Die Mauer wird so lange bleiben, wie die Bedingungen nicht geändert werden, die zu ihrer Errichtung geführt haben. Sie wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind", da traf es viele DDR-Bürger wie ein Blitz, der ihre zarten Hoffnungen, beflügelt von den lichten Signalen der gorbatschowschen Perestroika, nahezu restlos einäscherte. Diese beiden Sätze Honeckers erscheinen im Rückblick jedoch wie ein unheimlich effizienter Katalysator für den endgültigen Kollaps der nur so genannten "demokratischen" deutschen Republik, denn mussten sie nicht für jeden aufmerksamen Bürger bedeuten: "Von diesem Land ist jetzt und für alle Zeit überhaupt gar nichts mehr zu erwarten". Dass diese kompromisslose Botschaft angekommen war, bestätigte wenige Monate später die einsetzende Massenflucht aus der DDR. Im real-sozialistischen Paradies, das ja eigentlich eine rechte Hölle war, wurde es leerer. So leer, dass im Sommer 1989 im DDR-Fernsehen wieder mit eklatanter Häufigkeit das Gräuelbild vom imperialistischen Westen, in dem hinter aufwendig geschönter Fassade das Massenelend herrschte, ausgestellt wurde. Hat das zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch jemand ernst nehmen können? Die Zusammenhänge von Propaganda und Massenflucht waren ja zu offensichtlich.

"Wenn Leute unser Land verlassen, stehen wir mitunter sprachlos still, und können es oft gar nicht fassen, dass wer mit uns nicht leben will." - hieß es in einem offiziellen Lied in der Endzeit der DDR, das noch einmal die ganze Blindheit des Regimes offenbarte. Es musste letztlich einsehen, dass es nicht weiter ohne die Legitimation des Volkes herrschen konnte - und dass es von ihm auch keine Legitimation mehr erhalten würde.

Der Zusammenbruch der DDR hat in diesem Jahr sein 20. Jubiläum. Für das bundesdeutsche Verlagswesen ist das Anlass, einer möglichen Leserschaft zahlreiche Neu-Publikationen zum Thema anzubieten. Darunter befindet sich auch der vom Historiker und Politikwissenschaftler Klaus-Dietmar Henke herausgegebene Sammelband "Revolution und Vereinigung 1989/90", der aus 37 Beiträgen von Historikern und zeitgeschichtlichen Partizipienten sowie einem Vorwort besteht. Bei einer so umfänglichen Sammlung ist es natürlich eine Schwierigkeit, durchweg herausragendes anzubieten, daher muss es den Leser nicht wundern, wenn er in dem Buch auf einige eher akademisch-lustlose, schematische Beiträge stößt, die lieber auf kreative Fragestellungen verzichten. Aber es gibt auch Lichtblicke, beispielsweise "Der Untergang der Staatspartei" (Walter Süss), "Zwischen Misstrauen und Hoffnung: Polen und die deutsche Vereinigung" (Klaus Ziemer), "Die Intellektuellen, die friedliche Revolution und die Debatte um die Vereinigung" (Roger Engelmann), "Die Sowjetunion und die deutsche Einheit. Warum Moskau die DDR aufgab" (Michael Lemke) und "Die Kosten der Einheit. Eine Bilanz" (Gerhard A. Ritter). Über die Zweiteilung des Bandes in "Krise und Aufbruch in der Deutschen Demokratischen Republik" und "Die Reaktion der Bundesrepublik und der Mächte" hinweg wird - und hier kommt der Umfang positiv zum Tragen - eine erstaunliche Bandbreite politischer und wirtschaftlicher Wende-Themen samt Quellen-Nachweis abgedeckt.

Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat gerade erst angefangen und hierzu leistet "Revolution und Vereinigung 1989/90" einen annehmbaren Beitrag, der massiv aber keineswegs erschöpfend ist, da das Schreiben von Geschichte nie zum Abschluss kommt, so lange neue Menschengenerationen heranwachsen.

Trotz aller geschichtlichen Betrachtung sollte unser Blick auf das Heute jedoch nicht zu flach geraten: Worin besteht das Erbe der DDR? Wie hat die Diktatur die Menschen nachhaltig geprägt / deformiert? Was treiben die Täter von einst, was die blutroten Nachlassverwalter...

In unserem Nachbarland Polen wird die Debatte um die Hinterlassenschaften des kommunistischen Experiments wesentlich engagierter und freier geführt. Auf dem deutschen Buchmarkt fand Sie vor einiger Zeit Ausdruck im Sammelband "Anti-Totalitarismus. Eine polnische Debatte", hrsg. von Pawel Spiewak. Eine solche Redebereitschaft würde ich mir für unser oft so schwieriges Deutschland auch wünschen. Ich weiss: Ein durchaus hoffnungloser Wunsch.

Henke, Klaus-Dietmar (Hrsg.)
Revolution und Vereinigung 1989/90
Als in Deutschland die Realität die Phantasie einholte
dtv premium
735 Seiten
Originalausgabe, August 2009
ISBN 978-3-423-24736-8
EUR 19,90

[*] Diese Rezension schrieb: Arne-Wigand Baganz (2009-07-22)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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