Jakob Hein hat in seinem neuen Roman das Genre hin zu einem historischen Roman gewechselt und ist sich doch in seinem Stil absolut treu geblieben. Er erzählt auf etwa 240 Seiten die wahre Geschichte des jüdischen Leutnants Edgar Stern, der 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs von Wilhelm II. mit einem besonderen Auftrag ausgestattet wurde.
Es geht um einen kuriosen Plan. Edgar Stern soll mit einer als Zirkus getarnten Gruppe von 14 muslimischen Gefangenen in Konstantinopel den dortigen Sultan als Verbündeten des Deutschen Reichs gewinnen. Ein Plan, so die Überlegungen der Armeeleitung, der Deutschland einen schnellen Sieg in einem Krieg bringen sollte, der wie wir wissen dann über vier Jahre dauerte. Wenn es gelänge, dass der türkische Sultan für das befreundete Deutsche Reich den Dschihad ausruft und sich daraufhin alle Muslime – vor allem die in den Kolonien – gegen die britischen und französischen Gegner erheben, müsste die Schlacht schnell entschieden sein. Mit der feierlichen Freilassung von 14 muslimischen Gefangen soll die Gunst des Sultans erworben werden.
Vorher aber muss Edgar Stern die 14 Männer ohne aufzufallen durch ganz Europa schleussen. Stern hat einen Hang zu unkonventionellen militärischen Lösungen und außerdem besitzt er das, was die meisten Deutschen nicht hatten: Chuzpe.
Jakob Hein sagt zu seinem sehr amüsanten Roman: „Manche Geschichten würde einem der Leser nicht abnehmen, weil sie zu fantastisch, zu bizarr und zu konstruiert klingen. Aber diese Geschichte ist so passiert.“
Dieser historische und durchaus unterhaltsame Roman handelt durchaus von Aktuellem: es geht um Fluchtgeschichten, um Glaubensfragen, um Antisemitismus – alles das wirkt unglaublich gegenwärtig.
Ein sehr gelungener Roman, der Jakob Heins Schreibkunst erneut überzeugend unter Beweis stellt.
Jakob Hein, Die Orient-Mission des Leutnant Stern, Galiani Verlag 2018, ISBN 978-3-86971-172-0
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-09-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.