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Stefanie Heckmann - EDVARD MUNCH: Zauber des Nordens
Buchinformation

1927 zeigte die Berliner Nationalgalerie die bis dahin größte Ausstellung des norwegischen Malers Edvard Munch (1863-1944). 250 Werke waren zu bewundern und stießen auf rege Anteilnahme. Denn ihr Einfluss auf den Expressionismus und die Moderne waren unleugbar. Nur wenige Jahrzehnte zuvor, 1892, wurde eine Ausstellung von Munchs Werken geschlossen, da dessen Werke helle Entrüstung ausgelöst hatten. Was in den Jahren dazwischen und nach seinem ersten großen Erfolg geschah, erzählt der vorliegende Prachtband des Hirmerverlages, der viele seiner Werke en gros und en détail zur Ansicht bringt und durch Essays u.a. von P. Behrmann, C. Feilchenfeldt, S. Heckmann, T. Köhler, S. Meister, J. Nentwig, A. Schalhorn, D. Scholz, L. Toft-Eriksen aufschlussreich ergänzt wird.

Zum Schwarzen Ferkel

Die Berliner Kunstszene um 1900, auf die der norwegische Symbolist großen Einfluss nahm, wird ebenso fundiert beleuchtet wie die Geschichte von Munch und Berlin. Denn Edvard Munch leben Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder an der Spree und nahm auch am Berliner Kulturleben teil. Für Berlin bedeuteten Munchs Werke nichts weniger als die Initialzündung für die Moderne. Der "Zauber des Nordens" von dem Stefan Zweig sprach erfuhr durch Munch einen radikalen Wandel. Denn statt mit romantischen oder naturalistischen Fjordlandschaften wurden nun Munchs psychisch verdichtete Bildwelten als typisch nordisch vermarktet. DAs sollte in den Dreißigerjahren dann auch die Nazis auf den Plan rufen, die nicht zögerten, Munchs Werke als "entartet" zu bezeichnen. 83 seiner Werke wurden aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt, schreibt Stefanie Heckmann im ersten Essay in vorliegendem Band. Aber ganz abgesehen von den Nationalsozialisten waren Munchs Werke für viele seiner Zeitgenossen ebenfalls viel zu radikal. "Die Werke sprengten die romantischen Vorstellungen vom Norden und lösten einen Skandal aus", schreibt Heckmann über die erste Ausstellung von 1892. In jeder Zeit trafen sich viele Künstler in einem Lokal in Berlin, das "Zum Schwarzen Ferkel" genannt wurde. Die dortige Bohème huldigte Alkohol, Musik und Tanz und "irgendwo in einer Ecke grübelte der große Visionär Munch vor einem Glas Whiskey", so der polnisch Schriftsteller Stanislaw Przybyszwewski.

Liebe, Angst und Tod

In Berlin war es auch, wo Edvard Munch 1894 die Druckgrafik als künstlerisches Ausdrucksmittel für sich entdeckte. So entstanden etwa der Kupferstich "Der Tag danach" oder "Zwei Menschen" in Berlin. Aber auch das bekannte Bild "Madonna (liebende Frau)" hängt heute im Kupferstichkabinett des Staatlichen Museums zu Berlin. Viele düstere Themen wie Vampir, Melancholie, Angst, Eifersucht, Tod, Kuss oder Selbstbildnis entstanden in dieser Phase. Auffallend auch die thematische und graphische Nähe des Bildes "Kuss IV" (1902) zu dem weitaus bekannteren Gemälde eines anderen Zeitgenossen, das erst 1909 fertiggestellt wurde. Sabine Meister zeigt in ihrem Essay "Affäre, Skandal, Fiasko?" Wie weit Munchs Debüt in Berlin Blüten trieb. "Der Name Edvard Much", schrieb damals Curt Glaser, eine Begleiter und Ratgeber Munchs, "bedeutet ein Programm. Es ist das Schicksal dieses Malers, daß seine Kunst lange Zeit nicht rein und um ihrer selbst willen gewertet wurde, sondern daß sie ein Kampfplatz war, als er zum ersten Male in die große Öffentlichkeit trat. Weiteres Licht auf den dunklen Maler des Lichts aus dem Norden, wirft auch ein Essay von Janina Netwig über Munchs Lebensfries in der Berliner Sezession 1902: "Seine Bilder stellt er immer wieder neu zusammen zu einer überdindividuellen und zeitlosen Darstellung von Liebe, Angst und Tod, so Netwig. Gemeinsam hätten sie einen ganz besonderen Klang gebildet, so Munch über Munch, deswegen habe er sie als Lebensfries zusammengebracht. Im Anhang des vorliegenden Bandes findet sich auch eine Zeittafel mit Daten aus Munchs Leben in Berlin sowie viele Bilder, Fotografien und Zeitdokumente.

Hg. Stefanie Heckmann, Thomas Köhler, Janina Nentwig
EDVARD MUNCH
Zauber des Nordens
Mit Beiträgen von P. Behrmann, C. Feilchenfeldt, S. Heckmann, T. Köhler, S. Meister, J. Nentwig, A. Schalhorn, D. Scholz, L. Toft-Eriksen
2023, 304 Seiten, 246 Abbildungen in Farbe, 21,7 x 28 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-4217-4
Hirmer Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2023-09-23)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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