Das Heldenepos aus dem 13. Jahrhundert bildete nicht nur die Vorlage für solche Kassenschlager wie Game of Thrones, sondern gehört auch zum Bildungskanon der europäischen Allgemeinbildung. Die Geschichte um Verrat, Freundschaft und Treue ist nach wie vor modern und kann auch als Blaupause für heutige Konflikte genützt werden. Denn was sich in den Nibelungen abspielt dürfte jedem der ein gewisses Alter erreicht hat bekannt vorkommen. Zeit für eine Re-Lektüre.
Von Burgunden, Xanten und Hunnen
Ausgangspunkt der Saga sind die drei Brüder und Könige Gunther, Gernot und Giselherr sowie ihre Schwester Kriemhilde, die „im Lande der Burgunden“ leben und herrschen. Denn der eigentliche Held, Siegfried aus Xanten, wird zwar schon in den ersten Zeilen gerühmt, stirbt aber dennoch alsbald durch die Hand Hagens, eines Vertrauten von König Gunther. Zuvor fordert er die Burgunden aber noch heraus und wirbt um die schöne Kriemhilde in Worms. Als die Könige von Dänemark und Sachsen, Lüdegast und Lüdeger, den Burgunden den Krieg erklären steht Siegfried tapfer auf deren Seite und besiegt die Angreifer und lässt weise Milde über die Besiegten walten. Als auch Gunther sich vermählen will, Königin Brünhilde von Isenstein ist die Angebetete, hilft Siegfried ihm mit einer List, die bärenstärke Königin im Wettkampf zu besiegen und sogleich zu unterwerfen. Es kommt zur berühmten Doppelhochzeit von Gunther und Brünhilde und Siegfried und Kriemhild und eigentlich könnten jetzt alle glücklich werden. Doch dann kommt es zum Streit der beiden Königinnen und Hagen stiftet König Gunther an, seinen Freund und treusten Gefährten Siegfried zu verraten.
Freundschaft, Verrat und Rache
Der zweite Teil der Nibelungen ist dann ganz der Rache Kriemhilds gewidmet, die sich sogar mit dem Hunnenkönig Etzel verheiratet, nur damit sie sich an ihren drei Brüdern rächen kann. Das blutige Gemetzel nützt aber am Ende niemandem und doch bekommt wenigstens Hagen von Tronje seine gerechte Strafe. Natürlich stellt sich hier nun auch die Frage der Interpretation. Einerseits trifft die größte Schuld Hagen, der den Zwist der beiden Königinnen dazu benutzte, Einfluss auf König Gunter zu nehmen, um sich den legendären Nibelungenschatz, dessen Hüter Siegfried war, anzueignen. Also die Gier des vertrauten Vasallen. Andererseits ist es aber auch das Misstrauen der beiden Königinnen gegeneinander und ihr verletzter Stolz, der wesentlich zum Gemetzel beiträgt. Allein Siegfried, der stets an der Seite Gunthers stand und sich sogar – unter seiner Würde als König - als sein Lehensmann ausgab, um ihm damit bei Brünhilde zu helfen, ist frei von Schuld. Muss er deswegen für die Sünden der anderen bezahlen? Weil er Gunther einen Gefallen tat und für ihn Brünhilde besiegte? Undank ist der Welten Lohn. Vielleicht bedeutet es auch ganz einfach, dass man sich nicht ausnützen lassen soll von seinen Freunden. Schon gar nicht, wenn man eine ihrer Schwestern heiraten will.
Die Nibelungen
Nacherzählt von Gretel und Wolfgang Hecht
Illustriert von Burkhard Neie
Insel
ISBN: 978-3-458200369
16.-€
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2020-01-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.