Erst die fünfziger Jahre waren nach einer neuen Theorie das Goldene Zeitalter des Patriarchats. Der Wohlstand der Nachkriegszeit soll demnach auch in den Mittelschichten die Rolle der Frau als Nur-Hausfrau ermöglicht und zur vollen Entfaltung gebracht haben.
Die Whitakers in „Far from Heaven“ leben 1957 in Hartford, Connecticut, und gehören der oberen Mittelklasse an. Er hat eine gute Position bei einem Produzenten von Fernsehgeräten, sie kümmert sich um das perfekte Heim und die zwei wohl geratenen Kinder, draußen in einem grünen Vorort. Die Whitakers sind als Vorzeigefamilie gesellschaftlich hoch geachtet. Allerdings bemüht sich Frank (Dennis Quaid) insgeheim um sein Coming-out. Cathy (Julianne Moore) ist ahnungslos. Sie will nicht wissen, warum sie ihn eines Abends von der Polizeiwache abholen muss, und sie denkt sich nichts dabei, ihm einmal unangemeldet sein Abendessen ins Büro zu bringen. Hier werden ihr die Augen geöffnet.
Cathy verlangt, dass Frank sich von einem Psychiater behandeln lässt. Der „Doctor“ ähnelt nicht nur äußerlich Professor Kinsey. In einem Vorgespräch schätzt er die „Heilungschancen“ als gering ein und deutet an, dass die Behandlung stattdessen bei manchen zur Selbstakzeptanz führe. Frank hat es daraufhin eilig mit der Therapie. Bald schon leidet er unter ihr, trinkt und reagiert zunehmend gereizt auf die attraktive und allzu verständnisvolle Gattin.
Cathy ihrerseits findet Zuspruch und Aufmunterung durch den Farbigen Raymond (Dennis Haysbert), der den Garten der Whitakers in Ordnung hält. Ihr Verhältnis überschreitet die Grenzen der Wohlanständigkeit nie und ist doch deutlich erotisch gefärbt. Für die Gesellschaft von Hartford ist schon der freundschaftliche Umgang eines farbigen Mannes mit einer weißen verheirateten Frau ein unerträglicher Skandal. Cathy ist gezwungen, die harmlose Beziehung abzubrechen.
Frank wird immer labiler, die Firma schickt ihn in Urlaub, und das Ehepaar reist nach Miami. Hier fällt Dr. Bowmans Gesprächstherapie endlich auf fruchtbaren Boden: Frank verliebt sich ruckzuck in den Sohn der Familie vom Nebentisch. Cathy merkt erst, was passiert ist, als Frank daheim in Hartford wieder einmal zusammenbricht. Auch jetzt ist es Cathys Sache, auszusprechen, was geschehen muss: Scheidung.
Raymonds Stellung in Hartford ist unterdessen unhaltbar geworden. Weder die Weißen noch die Farbigen verzeihen ihm die Liaison, die nicht einmal eine war. Er bereitet deshalb seinen Umzug nach Baltimore vor. Cathy würde ihm gern folgen, doch Raymond sieht in ihrer Lage und zu ihrer Zeit nur in einem Sinn – im Verzicht.
Frank erleben wir ein letztes Mal, wie er Cathy den Termin beim Anwalt telefonisch durchgibt, im Schlafzimmerhintergrund der Neue. Frank hat sich stabilisiert, er ist der Krisengewinner – so wie Cathy die Verliererin.
Todd Haynes steht in der Nachfolge von Douglas Sirck und Rainer Werner Fassbinder. Er hat mit diesem Film von 2002 das US-Melodram der fünfziger Jahre zu mitreißendem neuen Leben erweckt. Sehenswert sind allein schon die Authentizität der Drehorte, die Stilsicherheit in allen Details der Ausstattung, die großen Leistungen der Schauspieler, die wunderbaren farbigen Bilder. Nicht zu vergessen Elmer Bernsteins herrliche Filmmusik. Die Vitalität von Stoff und Gestaltung hat ihren tieferen Grund jedoch in folgendem Zusammenhang: Mit dem Bewusstsein von heute wird hier die Zeit von damals wieder heraufbeschworen und zugleich wird klar dargestellt, was seinerzeit nur angedeutet werden durfte. Und siehe: Wir Menschen von heute sind in den Grundfragen unserer Existenz jenen von damals noch immer recht nahe - und eben beide: „Dem Himmel so fern“, so der deutsche Titel des Films.
[*] Diese Rezension schrieb: ArnoAbendschoen (2010-05-04)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.