Das Land der Barbarei
Bertolt Brecht starb als Österreicher. Das dürfte den meisten belesenen Menschen bekannt sein, doch dass 1950 auch seine Frau Helene Weigel ihre österreichische Staatsbürgerschaft zurückbekam vielleicht weniger. Der Dichtertitan soll auch noch mit einer anderen Österreicherin, Mariann Zoffe eine Tochter gehabt haben, sowie mit zuerst genannter eine Tochter und einen Sohn. Damit nicht genug, bezeichnete er in einem Gedicht den Steyrwagen auch noch als sein Lieblingsfahrzeug und gewann damit ein Preisausschreiben des österreichischen Waffenproduzenten: „So lautlos fahren wir dich/Dass du glaubst, du fährst/Deines Wagens Schatten.“, so der Dichter, der sich – nach dem er den ersten Wagen zu Schrott gefahren hatte- auch gerne noch ein zweites Fahrzeug von der Firma sponsern ließ. „Ich fuhr niedergedrückter weg aus dem Land der Kultur, als ich dort angekommen war – aus dem Land der Barbarei“, waren weniger schmeichelhafte Zeilen die Brecht 1933 über das Österreich des Ständestaates verlauten ließ, einer Zeit in der selbst ein Karl Kraus das heraufdäuende Elend des Nationalsozialismus noch nicht einmal erahnten. Nach dem Krieg bekam Brecht die Staatsbürgerschaft übrigens auf Vermittlung von dem weltbekantnen österreichischen Komponisten Gottfried von Einem, der damals bei den Festspielen arbeitete, und später genau wegen seines Einsatzes für Brecht, dort suspendiert wurde. Einem wollte damals mit dem Spruch „Erneuerung der TRaditioin aus dem Bewusstsein der Gegenwart“ aus Salzburg ein „Weimar des 20. Jahrhunderts“ machen, so ein Zeitgenosse. Zumindest die Einbürgerung Brechts war im aber gelungen.
Vom „schwarzen Kirsch trinkenden Christus“
„Am Weihnachtstag in Schruns war der Schnee so weiß, dass er den Augen wehtat, wenn man aus der Weinstube hinausblickte und die Leute aus der Kirche nach Hause kommen sah.“, schrieb Hemingway in „Schnee am Kilimandscharo“, eine seiner wohl berühmtesten Kurzgeschichten, die er 1925 im Vorarlberger Montafon fertig gestellt hatte. Auch „Ein Gebirgsidyll“ oder „Paris – ein Fest für`s Leben“ sollen in den Wintermonaten 1925 und 1926 dort entstanden sein. Damals war der „schwarze Kirsch trinkende Christus“ (so soll Hemingway aufgrund seiner langen Haare und seines Bartwuchses, aber auch seines Lieblingsgetränkes von den Einheimischen genannt worden sein) zwar noch kein berühmter Schriftsteller, aber seine von ihm selbst als „Eisbergstil“ (nur ein Achtel des Geschriebenen sollte sichtbar sein) genannte Prosa bescherte ihm bald seinen ersten Vorschuß von 1500 Dollar und die ließen beim Schi fahren und Bier trinken im krisengeschüttelten Alpenland sehr gut anlegen: „Gestern Nacht habe ich Poker gespielt und zu viel Bier getrunken. 7 Flaschen. 158.000 Kronen gewonnen. Macht etwa 2,35 Dollar. Gott, hätte ich bloß nicht so viel Bier getrunken“, so Hemingway in einem erhaltenen Dokument aus dem Haslinger zitiert. Österreich war für viele Ausländer damals sehr billig, da die Krone immer wieder abgewertet wurde, bis der stabilere Schilling eingeführt wurde. Und so trafen sich etwa auch die DADAisten in der Alpenrepublik und zwar ausgerechnet in Imst in Tirol.
Sibyllinische Steppengöttin in Tiroler Voralpen
Tristan Tzara, einer der wohl bekanntesten Vertreter des Dadaismus, hatt schon auf der ersten DADA-Soirée 1916 verlangt, „la technique primitive et la sensibilité moderne“ zu verbinden. Die Folge waren wohl nicht nur Skulpturen und seltsame Gedichte der urbanen Stadtmenschen, die das „natürliche“ Gefühl wiederzuentdecken suchten, sondern auch eine „Konferenz der Potentaten“, die für 1921 ausgerechnet im Tiroler Bergdorf Imst stattfand. Natürlich ist Imst heute alles andere als ein Bergdorf, aber 1921? Aufschluß warum sich so berühmte Leute wie André Breton, Paul Eluard, Hans Arp und Max Ernst dort trafen gibt ein Ausspruch von letzterem: man bräuchte nicht mehr als 250 Kronen pro Tag, was wirklich „spottbillig“ sei. So kam es der illustren Begegnung von Tiroler Musikkapellen, Fronleichnamsprozessionen, Heimwehren und den Surrealisten, die schon damals als die Verkörperung der Moderne schlechthin galten. Um die Absurdheit noch zu übetreffen teilten sich Paul Eluard und Max Ernst Gala, Eluards russische Ehefrau, die auf Ernst folgende Wirkung ausgeübt haben soll: „Ihre schwarzen Augen zogen sich zu zarten, hohen Schläfen hinauf, eine ausdrucksvolle Nase und ein kleiner Mund, dessen fest verschlossene Lippen ein Geheimnis zu hüten schienen, standen in dem wohlgeformten Oval ihres Gesichtes, das an eine sibyllinische Steppengöttin erinnerte.“ Was aber auch der Herausgeber verschweigt: dieselbe Gala sollte später Dalis Frau werden, der sie in unzähligen Gemälden u.a. auch als Jesus verewigte.
Weitere berühmte Künstler aus aller Welt, die Österreich besucht haben, werden vorgestellt in Beiträgen zu Ivo Andric, James Joyce, Karl May, Mark Twain, Frederic Chopin, August Strindberg, Hector Berlioz, u. v. a. m.
Adolph Haslinger
Künstler begegnen Österreich
Auf den Spuren berühmter Persönlichkeiten
14,3 x 21,5 cm
208 Seiten - 20 s/w-Abbildungen
EUR: 22,95 CHF: 34,90
ISBN: 978-3-8000-7512-6
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-10-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.