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Dieter Haselbach - Der Kulturinfarkt
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Haselbach, Dieter:
Der Kulturinfarkt

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(Bücher frei Haus)

Um gleich mit einem Lob zu beginnen: Es gehört mittlerweile große Courage dazu, sich mit den Subventionsbranchen der Republik anzulegen. Die da wären der Sozialsektor, die Integration, rudimentär die Bildung und last not least die Kultur. Allesamt wurden seit der Reformepoche der frühen siebziger Jahre des letzten Jahrtausends systematisch ausgebaut und gefördert. Das alles geschah aus der ehrlichen Überzeugung, damit die Gesellschaft gerechter und lebenswerter zu machen. Leider, und das stellen die Autoren zurecht fest, haben die subventionierten Sektoren zunehmend eine eigene Bürokratie und eine Eigendynamik entwickelt, die sie immer weiter von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt haben. Dafür sind sie zu einer Meinungsmacht geworden, die Politik maßgeblich beeinflusst.

Das Buch Kulturinfarkt. Von allem zuviel und überall das Gleiche hat bei seinem Erscheinen einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen und die Autoren Haselbach, Klein Knüsel und Opitz wurden angefeindet und diffamiert wie man es aus den Subventionsbranchen gewohnt ist. Ihre Hauptthese ist bereits in der Überschrift lesbar und daher erübrigte es sich für viele, das Buch erst zu lesen. Es empfiehlt sich dennoch!

Die Autoren beschreiben anhand zahlreicher Beispiele und immer mit Zahlenmaterial unterlegt, das Volumen öffentlicher Mittel für das Produkt Kunst. Sie zeigen auf, in welcher Dimension sich die Zuwendung abspielt und setzen das in Kontrast zu der Qualität der erhaltenen Leistung. Letzteres lässt aus Sicht der Autoren zu wünschen übrig, weil es, und da fehlt die Erklärung, vielleicht auch, weil die Autoren, die die Kulturbranche gut kennen, es einfach voraussetzen. Der öffentlich finanzierten Kunst fehlen nämlich Schock und Affront, sie ist verkommen zu einem Sammelsurium affirmativer Etüden, die kaum noch interessieren. In ausführlichen Kapiteln jedoch beschreiben die Autoren den Weg, wie es dazu kam. Hoch interessant ist das Kapitel über die seltsame Genese des Kulturstaatsgedankens, einerseits immer protegiert vom Bildungsbürgertum seit der Weimarer Klassik und dann unterfüttert von Adorno höchstselbst, in dem er die Kulturindustrie als frivoles Herrschaftsinstrument diffamierte und die staatlich geförderte Kunst als autonom bezeichnete!

Die Forderung, die Mittel kultureller Förderung schlichtweg zu halbieren, ist von der Dramaturgie her mutig und hat zu den zahlreichen, allerdings wenig geistvollen und eher polemischen Diskussionen geführt, weil jeweils die Empfänger auf den Podien sitzen und viel zu selten diejenigen, die das Geld verteilen. Da eben begänne der eigentlich wichtige Diskurs über den Zweck von Kunst und Kultur. Die Hinweise der Autoren, wie in Zukunft der Handlungsbedarf an den Schnittstellen aussehen muss, läuft auf eine Effektivierung der Subvention hinaus, was den anfänglich provokativen Gedanken konterkariert. Insofern ist das Buch vielleicht doch ein Hinweis von Beratern, die wissen, wie man es besser macht?

Nichtsdestotrotz sind die formulierten Gedanken eine grundlegende und notwendige Bereicherung für eine Diskussion, die längst überfällig ist: In Anbetracht der Anzahl der Nutznießer öffentlich geförderter Kunst ist das Ausmaß der Förderung schlichtweg ungerecht, weil es Eliten trifft, während notwendige Investitionen in Bildung auf der Strecke bleiben. Die gezeitigte Qualität lässt zu wünschen übrig, die Quantität lenkt gar vom Wesentlichen ab. Und der beamtete Apparat des Kulturstaates ist zu weit weg vom Gedanken der Befreiung, jenem Urknall des deutschen Idealismus, dessen Tradition wir nun wirklich nicht leugnen sollten.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2012-06-10)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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