Lukas Hartmann ist ein großer Meister der Aufbereitung historisch belegter Stoffe und Ereignisse für literarisch anspruchsvolle Romane. Für seinen neuen Roman "Räuberleben" hat er nach eigenen Angaben lange und intensiv nicht nur in den entsprechenden Archiven recherchiert , sondern auch unzählige Gespräche mit Lokalhistorikern geführt, die sich zum Teil schon ein halbes Leben mit der Hauptfigur des Romans befassen. Es geht um die Geschichte des Sinti Hannikel, der mit seiner Räuberbande Ende des 18. Jahrhunderts vor allem im Schwarzwald und im Elsass, aber auch in angrenzenden Regionen Angst und Schrecken verbreitete.
Erzählt wird die Geschichte immer wieder aus dem Blickwinkel von Wilhelm Grau, einem Schreiber in Diensten von Jacob Schäffer, seines Zeichens Oberamtmann von Sulz und von einer großen Mission beseelt: er will den Räubern, Gaunern und Zigeunern das Handwerk legen, sie gefangen nehmen und ihrer gerechten Strafe zuführen. Der Schreiber Grau ist ein passionierter Insektenkundler und steht in regem schriftlichem Austausch mit einem Professor in Norddeutschland. Mit einem Brief an ihn beginnt das Buch im August des Jahres 1794. Nachdem die halbe Stadt Sulz einem verheerenden Band zum Opfer gefallen ist, vermutet Grau einen Racheakt des Sohnes des vor Jahren hingerichteten Räubers Hannikel. Zu diesem Sohn Dieterle hatte Grau während der monatelangen Verhöre nach der schlussendlichen Verhaftung der Bande ein von seiner Seite aus fast väterliches Verhältnis.
Der Leser weiß also schon von Anfang an, was geschehen ist. Doch er kennt nicht die Details, er kennt nicht die Hintergründe und vor allem nicht die reichen sozialgeschichtlichen Informationen, die Lukas Hartmann nun Schritt für Schritt erzählt. Da wird berichtet von der leidenschaftlichen Arbeit des Räuberjägers Schäffer, bei der es ihn oft auch außer Landes zieht, und bei der ihn sein Schreiber Grau immer begleitet. Wir werden hineingeführt in das Leben und die Politik des Landesvaters Herzog Karl Eugen und seiner Frau Franziska.
Es ist eine spannende und informative Geschichte, die Lukas Hartmann da aus den historischen Fakten entwickelt. Eine Geschichte voller auch menschlicher Dramatik, die einen etwas spüren lässt von den Lebensbedingen der Menschen Ende des 18. Jahrhunderts quer durch die verschiedenen Schichten.
Eine wundervolle unterhaltsame Lektüre. Ein Buch, das man bis zum Ende nicht aus der Hand legen will.
Lukas Hartmann, Räuberleben, Diogenes 2013, ISBN 978-3-257-24205-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-06-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.