Hätten wir keinen Hintern, würden wir pausenlos auf die Schnauze fallen, das betont der Biologe Dennis Bramble, wenn auch in anderen Worten. Für Pygomane ist das eher etwas rundliche Körperteil, das oft mit Obst wie Äpfeln oder Bananen verglichen wird, Teil der menschlichen Kulturgeschichte, denn schon vor 40000 Jahren hätten es Menschen an Felswände gemalt, um auf seine Besonderheit hinzuweisen. Alles am Arsch also? Mitnichten, denn 2008 wurde auf der Schwäbischen Alb eine Skulptur eines Paläolithen gefunden, das einen Mammut und eine Frau mit üppigen Pobacken zeigte, das man sich als Amulett sogar um den Hals hängen konnte. Aber auch in der jüngeren Kulturgeschichte gibt es Zeugnisse der Herausstreichung des Hinterteils, man denke nur an Po-Rollen, Gesäßpolster, Korsette oder die ausladenden Röcke des 18. Jahrhunderts, die zeigten, was da sein sollte, aber nicht, was da wirklich war. Das Verhüllen machte die Aufregung der Entdeckung natürlich noch größer, so auch Hanson in ihrem Geleitwort zu vorliegender Publikation.
Im alten Griechenland habe es eine eigene Göttin des Hinterns gegeben, Aphrodite Kallipygos. Inspiriert sei der Kult – wie könnte es anders sein – von zwei Dichtern, Kerkidas von Megalopolis und Nikandros von Kolophon (man beachte das Präfix!). Spätestens durch Jennifer Lopez und den Hip Hop als Etablierung einer eigenen Lebenskultur waren auch in der Moderne die Tage des Busens gezählt. Pamela Anderson und die brustfixierte TV-Serie „Baywatch” wurden etwa vom italienischen Magazin „Maxim“ di Milano 2010 eingemottet. Den Vergleich zwischen Brüsten und Hintern umschreibt die Herausgeberin mit treffenden Worten: während der Busen eher das Mütterliche, auch Religiöse (Maria!) anspreche, stehe der Hintern eher für etwas „Unwürdiges“, Tierisches, auch für die Sünde bei gleichzeitiger Bestrafung (Versohlen).
In jedem Fall zollt Hanson J-Lo Tribut, dass diese Anfang der 90er das weiße Schönheitsideal revolutioniert habe: es galten endlich nicht mehr nur diese großbrüstigen Frauen mit schmalen Taillen als schön, sondern endlich wieder dicke Hintern und weibliche Rundungen. Zwischen Hintern und Brüsten, könnte man auch einen Kampf zwischen schwarzer und weißer Dominanz konstatieren, wie viele Musicvideos leicht beweisen ließen. Aber Butt-Fotos gab es auch schon von Betty Page in den Vierzigern, insofern schließen sich Gegensätze wohl doch nicht aus. Die internationalen butt connoisseurs werden sich jedenfalls über diese Publikation des Taschen-Verlages freuen, denn es ist als Taschenformat auch für unterwegs geeignet und das obwohl es sehr viele pralle Hintern beinhaltet.
Nicht nur das Cover der vorliegenden Publikation wartet mit einigen „Enthüllungen“ auf. Gleich in drei Sprachen wird die Kulturgeschichte des Hinterns von Dian Hanson aufgerollt und gibt gleichermaßen wissenschaftliche wie intime Bekenntnisse preis.
Dian Hanson
The Little Book of Butts -
The Tiny Tome of Tasty Tush
Flexicover, 11,9 x 16,6 cm,192 Seiten,€ 7,99Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-05-31)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.