Victoria ist die Geschichte einer unglücklichen Liebe, nämlich zwischen dem armen Müllerssohn Johannes und dem vier Jahre jüngeren Schlossfräulein Victoria. Der Schauplatz des Geschehens ist vermutlich das Norwegen des 19. Jahrhunderts.
Johannes verliebt sich im frühen Alter von 14 Jahren in die kleine Victoria, aber von Anfang steht die Barriere der Standesunterschiede zwischen den beiden. Victorias Vater hat ernste finanzielle Nöte, die sich am einfachsten noch durch die Verheiratung von Victoria mit einem sehr wohlhabenden Leutnant beseitigen lassen, doch Victoria will nicht, sie möchte zumindest Aufschub. Er wird ihr gewährt, aber eines Tages muss sie diesen Leutnant heiraten.
Dies ist, man kann es offen aussprechen, ein recht trivialer Stoff, doch gelingt es Knut Hamsun, ihm eine literarische Tiefe abzuringen und den blutigen Wegen der Liebe bis in die Nähe ihres Ursprunges zu folgen. Man sieht, wie in dem Buch zwei Leben aneinander vorbeilaufen, die für einander bestimmt schienen; wie Johannes aus seinem Liebeselend heraus zu einem bedeutenden, weltweit angesehenen Dichter erwächst - und doch wird ihm das, wonach er am innigsten strebt, versagt, weil es ihm am Geld mangelt; die beiden mühen sich vergebens, auch die Kommunikation, die sie untereinander führen, ist zum Scheitern verurteilt und die gesamte Geschichte nimmt ein tragisches Ende. So ist die Liebe ...
"Wie war also die Liebe? Sie konnte einen Mann ruinieren, wieder aufrichten und erneut brandmarken; heute konnte sie mich, morgen dich und morgen nacht ihn lieben, so unbeständig war sie. Sie konnte aber auch fest sein, wie ein aufbrechbares Siegel und unauslöschlich brennen, wie zur Stunde des Todes, so ewig war sie. Wie war also die Liebe? Oh, die Liebe ist eine Sommernacht mit Sternen am Himmel und Duft auf der Erde. Warum aber läßt sie den Jüngling verborgene Wege gehen und den Greis in seiner einsamen Kammer sich auf Zehenspitzen stellen? Ach, die Liebe läßt das Menschenherz zum Pilzgarten werden, einem üppigen und unverschämten Garten, in dem geheimnisvolle und freche Pilze stehen... So war die Liebe... Die Liebe ist Gottes erstes Wort, der erste Gedanke, der durch sein Gehirn flog. Als er sagte: Es werde Licht!, da wurde die Liebe. Und alles, was er erschaffen hatte, war so gut, und er wollte nichts davon ungetan wissen. Und die Liebe war der Anfang der Welt und die Herrscherin der Welt; all ihre Wege aber sind voller Blumen und Blut; Blumen und Blut."
Wer sich vor dem sicherlich allzuoft behandelten Thema der Liebe nicht scheut und doch keinen Kitsch lesen mag, für den ist Victoria die richtige Lektüre. Ich habe das Buch an einem Nachmittag durchgelesen.