"Unter Herbststernen" (1906) ist ein eher durchschnittlicher Hamsun. Was macht einen durchschnittlichen Hamsun aus? Der Ich-Erzähler, der Hamsuns bürgerlichen Namen Knut Pedersen trägt, ist ein der Städte überdrüssiger Herr, der nun auf dem Lande seine frühen Wurzeln und die Ruhe sucht - vor zwanzig oder dreißig Jahren hat er sich von ihnen getrennt, hat sich in der eitlen Welt der Cafés verloren, ist gegenüber dem Leben bewusstlos geworden. Pedersen wird Wanderer (um das Wort Landstreicher zu vermeiden), zieht mit einem Kumpanen von Gehöft zu Gehöft, verdingt sich, da er allerlei Arbeiten beherrscht, auf diesem und jenem, unter anderem baut er einem Pfarrer eine Wasserleitung, fällt Bäume im Wald. Der Erzähler hat sich von seinem alten Leben ganz gründlich getrennt und lässt niemanden seine Herkunft merken. Wir finden hier einmal mehr das von Hamsun so sehr geliebte Motiv Gegen die moderne Welt.
Pedersen ist ein toller Kerl. Wenn er sich nicht an der Natur erfreut, ist er ständig hinter den Damen her. Wie die Hauptfigur in "Schwärmer" träumt der Erzähler von einer großen Erfindung, hier soll es dieses Mal eine neuartige Baumsäge sein, mit welcher er berühmt und reich werden will – und alles, was man sonst noch braucht, um in der Gunst der Weibchen zu steigen.
Es werden auch Liebesbriefchen geschrieben:
"Dieser kleine hübsche Bogen Papier und diese flüchtigen, feinen Buchstaben! Ihre Hände hatten diesen Brief gehalten, er hatte unter ihren Augen gelegen, ihren Atem gefühlt. Und am Schluß war ein Gedankenstrich, der eine Welt bedeuten konnte."
Romantische Dummheiten, die Pedersen zurück in die Stadt führen. "Dann stehe ich wieder mitten im Lärm und Gedränge der Stadt, zwischen Zeitungen und Menschen, und da seit meinem letzten Hiersein viele Monate vergangen sind, ist es mir gar nicht so unangenehm". Dabei hatte er erst vor kurzem noch gedacht: "Schöner als jetzt kann ich es nicht mehr haben, und niemals würde mich jemand wieder in die Stadt locken können" ---
"Unter Herbststernen" ist keine weltbewegende, aber eine durchaus angenehme Lektüre. Mehr will sie sicher auch gar nicht sein.
Ein weiteres Zitat als Schlussatz dieser Rezension:
"Meine Herren Neurastheniker, wir sind schlechte Menschen, und zu irgendeiner Art von Tieren taugen wir auch nicht."
[*] Diese Rezension schrieb: Arne-Wigand Baganz (2005-05-29)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.